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Harold M. Edwards, Linear Algebra

Birkhäuser Verlag, Basel, Berlin, Boston,

1995, ISBN 0-8176-3731-1, 198 Seiten, Hardcover, DM 68,-; ÖS 530,40; SFr 58,-  

Der Titel ,,Linear Algebra`` des Buches von Edwards ist irreführend und sollte, wie der Autor selbst einräumt, durch ''Matrixarithmetik'' ersetzt werden. Die Matrixarithmetik wird dabei aber nur für Matrizen mit Einträgen aus ganzen bzw. gebrochen rationalen Zahlen behandelt. Dieser spezielle Ansatz ist eine Konsequenz der Absicht des Autors, Mengentheorie zu vermeiden. Da der Grenzwertbegriff nicht zur Algebra gehört, werden auch reelle Zahlen als Matrixeinträge (weitgehend) vermieden. Dadurch können fundamentale Sätze über Matrizen wie der Spektralsatz in dem Buch nur rudimentär anklingen.

Mit diesen Einschränkungen wird ansonsten Matrixarithmetik unter algorithmischen Aspekten betrachtet, d.h. zu den Sätzen über Matrizen werden stets die entsprechenden Algorithmen angegeben. Zur Illustration dienen ausgiebige Beispiele und Übungsaufgaben am Ende eines jeden Kapitels (mit Lösungen am Schluß des Buches). Gerechtfertigt wird der durch Beispiele ergänzte algorithmische Ansatz mit dem Argument, daß einerseits kein Beispiel ohne Bezugnahme auf die allgemeine Theorie durchgerechnet werden kann und andererseits die allgemeine Theorie ohne die Heranziehung von Beispielen unverständlich bleibt. Der Autor erinnert an Hilberts Ausspruch, wonach man immer ,,mit den ganz einfachen Beispielen`` anfangen soll.

Der Zweck des Buches besteht darin, die Fähigkeit des Lesers zum Rechnen mit Matrizen zu fördern oder genauer sogar die Veranschaulichung dieses Rechnens zu ermöglichen.

Das Buch beginnt in Kapitel 1 mit der Matrixmultiplikation, die aus der Hintereinanderausführung von Substitutionen erklärt wird. Der in Kapitel 2 eingeführte Begriff der Matrixäquivalenz leitet dann in Kapitel 3 zur Matrizendivision und ihren Zusammenhang mit Diagonalmatrizen über. Die Äquivalenz von Matrizen wird in Kapitel 5 durch die Gleichheit ihrer äquivalenten ''stark diagonalen Matrizen'' algorithmisch entschieden. Der dazu benötigte Determinantenbegriff, rekursiv eingeführt durch den Laplaceschen Entwicklungssatz, findet sich in Kapitel 4. Diese ersten fünf Kapitel behandeln nur Matrizen über den ganzen Zahlen.

Erst ab Kapitel 6 werden auch gebrochen rationale Zahlen als Matrixeinträge zugelassen. Das Problem der Matrixinversion über beliebigen rationalen Zahlen reduziert sich durch Multiplikation mit dem Hauptnenner auf dasjenige über den ganzen Zahlen. Interessant ist der in Kapitel 7 durch Verallgemeinerung der Methode der kleinsten Quadrate eingeführte Begriff des Pseudo-Inversen (hier ,,mate`` genannt). Bekanntlich sind zwei Matrizen genau dann ähnlich, wenn ihre charakteristischen Matrizen äquivalent sind. Die Äquivalenz von Polynommatrizen ist daher Gegenstand von Kapitel 8, und zwar natürlich ganz in Analogie zur Äquivalenz ganzzahliger Matrizen in Kapitel 2; und in Kapitel 9 wird die Äquivalenz von Polynommatrizen -- in Analogie zur Äquivalenz ganzzahliger Matrizen in Kapitel 5 -- algorithmisch entschieden. Um unter Vermeidung der komplexen Zahlen ganz im Bereich der rationalen Zahlen verbleiben zu können, kommt hier statt der Jordannormalform nur die rationale Normalform als die einfachste Matrix, zu der eine gegebene Matrix ähnlich ist, zur Sprache. Der Spektralsatz erscheint im abschließ enden Kapitel 10 zunächst nur in der rudimentären Version über den rationalen Zahlen, wird dann aber doch noch über den reellen Zahlen voll ausformuliert. Ein Anhang bringt Anwendungen auf lineare Programmierung.

Das Buch ist wegen seines restriktiven Ansatzes, nämlich ohne Mengenlehre auszukommen und daher nur ganze oder gebrochen rationale Zahlen als Grundbereiche zuzulassen, in sehr eingeschränkter Weise verwendbar. (Denn in Deutschland wird die ''Mengenlehre'' ja bereits auf dem Gymnasium betrieben, und die reellen und komplexen Zahlen lernen die Studenten an der Universität bereits in den ersten Semestern.) Vermutlich hat der Autor vorwiegend an undergraduate students und high school teachers als Leser gedacht. Der algorithmische Standpunkt des Buches erschöpft sich auch in der jeweiligen Übertragung der Sätze in ein aus endlich vielen Schritten bestehendes Rechenverfahren ohne Anspruch auf Praktikabilität. Es soll eben die ''Imagination'' des Rechnens mit Matrizen gefördert werden. Lineare Algebra steht dabei naturgemäß\ immer im Hintergrund, so daß der Titel ''Linear Algebra'' doch in gewisser Weise gerechtfertigt ist. Da der beschriebene Ansatz interessant ist und die Theorie auf originelle Art dargestellt wird, kann das Buch trotz der gemachten Einschränkungen zur Lektüre empfohlen werden.

Horst G. Zimmer (Saarbrücken)

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Thu Jan 4 15:51:53 MET 1996