The Project Gutenberg EBook of Tristan, by Thomas Mann This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.net Title: Tristan Author: Thomas Mann Release Date: October 20, 2004 [EBook #13810] Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TRISTAN *** Produced by Martin Agren, Brett Koonce and the PG Online Distributed Proofreading Team. Tristan von Thomas Mann 1 Hier ist >Einfried<, das Sanatorium! Weiss und geradlinig liegt es mit seinem langgestreckten Hauptgebaeude und seinem Seitenfluegel inmitten des weiten Gartens, der mit Grotten, Laubengaengen und kleinen Pavillons aus Baumrinde ergoetzlich ausgestattet ist, und hinter seinen Schieferdaechern ragen tannengruen, massig und weich zerklueftet die Berge himmelan. Nach wie vor leitet Doktor Leander die Anstalt. Mit seinem zweispitzigen schwarzen Bart, der hart und kraus ist wie das Rosshaar, mit dem man die Moebel stopft, seinen dicken, funkelnden Brillenglaesern und diesem Aspekt eines Mannes, den die Wissenschaft gekaeltet, gehaertet und mit stillem, nachsichtigem Pessimismus erfuellt hat, haelt er auf kurz angebundene und verschlossene Art die Leidenden in seinem Bann, -- alle diese Individuen, die, zu schwach, sich selbst Gesetze zu geben und sie zu halten, ihm ihr Vermoegen ausliefern, um sich von seiner Strenge stuetzen lassen zu duerfen. Was Fraeulein von Osterloh betrifft, so steht sie mit unermuedlicher Hingabe dem Haushalte vor. Mein Gott, wie taetig sie, treppauf und treppab, von einem Ende der Anstalt zum anderen eilt! Sie herrscht in Kueche und Vorratskammer, sie klettert in den Waescheschraenken umher, sie kommandiert die Dienerschaft und bestellt unter den Gesichtspunkten der Sparsamkeit, der Hygiene, des Wohlgeschmacks und der aeusseren Anmut den Tisch des Hauses, sie wirtschaftet mit einer rasenden Umsicht, und in ihrer extremen Tuechtigkeit liegt ein bestaendiger Vorwurf fuer die gesamte Maennerwelt verborgen, von der noch niemand darauf verfallen ist, sie heimzufuehren. Auf ihren Wangen aber glueht in zwei runden, karmoisinroten Flecken die unausloeschliche Hoffnung, dereinst Frau Doktor Leander zu werden... Ozon und stille, stille Luft ... fuer Lungenkranke ist >Einfried<, was Doktor Leanders Neider und Rivalen auch sagen moegen, aufs waermste zu empfehlen. Aber es halten sich nicht nur Phthisiker, es halten sich Patienten aller Art, Herren, Damen und sogar Kinder hier auf: Doktor Leander hat auf den verschiedensten Gebieten Erfolge aufzuweisen. Es gibt hier gastrisch Leidende, wie die Magistratsraetin Spatz, die ueberdies an den Ohren krankt, Herrschaften mit Herzfehlern, Paralytiker, Rheumatiker und Nervoese in allen Zustaenden. Ein diabetischer General verzehrt hier unter immerwaehrendem Murren seine Pension. Mehrere Herren mit entfleischten Gesichtern werfen auf jene unbeherrschte Art ihre Beine, die nichts Gutes bedeutet. Eine fuenfzigjaehrige Dame, die Pastorin Hoehlenrauch, die neunzehn Kinder zur Welt gebracht hat und absolut keines Gedankens mehr faehig ist, gelangt dennoch nicht zum Frieden, sondern irrt, von einer bloeden Unrast getrieben, seit einem Jahre bereits am Arm ihrer Privatpflegerin starr und stumm, ziellos und unheimlich durch das ganze Haus. Dann und wann stirbt jemand von den >Schweren<, die in ihren Zimmern liegen und nicht zu den Mahlzeiten noch im Konversationszimmer erscheinen, und niemand, selbst der Zimmernachbar nicht, erfaehrt etwas davon. In stiller Nacht wird der waechserne Gast beiseite geschafft, und ungestoert nimmt das Treiben in >Einfried< seinen Fortgang, das Massieren, Elektrisieren und Injizieren, das Duschen, Baden, Turnen, Schwitzen und Inhalieren in den verschiedenen mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestatteten Raeumlichkeiten... Ja, es geht lebhaft zu hierselbst. Das Institut steht in Flor. Der Portier, am Eingange des Seitenfluegels, ruehrt die grosse Glocke, wenn neue Gaeste eintreffen, und in aller Form geleitet Doktor Leander, zusammen mit Fraeulein von Osterloh, die Abreisenden zum Wagen. Was fuer Existenzen hat >Einfried< nicht schon beherbergt! Sogar ein Schriftsteller ist da, ein exzentrischer Mensch, der den Namen irgendeines Minerals oder Edelsteines fuehrt und hier dem Herrgott die Tage stiehlt... Uebrigens ist, neben Herrn Doktor Leander, noch ein zweiter Arzt vorhanden, fuer die leichten Faelle und die Hoffnungslosen. Aber er heisst Mueller und ist ueberhaupt nicht der Rede wert. 2 Anfang Januar brachte Grosskaufmann Kloeterjahn -- in Firma A. C. Kloeterjahn & Comp. -- seine Gattin nach >Einfried<; der Portier ruehrte die Glocke, und Fraeulein von Osterloh begruesste die weither gereisten Herrschaften im Empfangszimmer zu ebener Erde, das, wie beinahe das ganze vornehme alte Haus, in wunderbar reinem Empirestil eingerichtet war. Gleich darauf erschien auch Doktor Leander; er verbeugte sich, und es entspann sich eine erste, fuer beide Teile orientierende Konversation. Draussen lag der winterliche Garten mit Matten ueber den Beeten, verschneiten Grotten und vereinsamten Tempelchen, und zwei Hausknechte schleppten vom Wagen her, der auf der Chaussee vor der Gatterpforte hielt -- denn es fuehrte keine Anfahrt zum Hause-, die Koffer der neuen Gaeste herbei. "Langsam, Gabriele, take care, mein Engel, und halte den Mund zu", hatte Herr Kloeterjahn gesagt, als er seine Frau durch den Garten fuehrte; und in dieses "take care" musste zaertlichen und zitternden Herzens jedermann innerlich einstimmen, der sie erblickte, -- wenn auch nicht zu leugnen ist, dass Herr Kloeterjahn es anstandslos auf deutsch haette sagen koennen. Der Kutscher, welcher die Herrschaften von der Station zum Sanatorium gefahren hatte, ein roher, unbewusster Mann ohne Feingefuehl, hatte geradezu die Zunge zwischen die Zaehne genommen vor ohnmaechtiger Behutsamkeit, waehrend der Grosskaufmann seiner Gattin beim Aussteigen behilflich war; ja, es hatte ausgesehen, als ob die beiden Braunen, in der stillen Frostluft qualmend, mit rueckwaerts gerollten Augen angestrengt diesen aengstlichen Vorgang verfolgten, voll Besorgnis fuer soviel schwache Grazie und zarten Liebreiz. Die junge Frau litt an der Luftroehre, wie ausdruecklich in dem anmeldenden Schreiben zu lesen stand, das Herr Kloeterjahn vom Strande der Ostsee aus an den dirigierenden Arzt von >Einfried< gerichtet hatte, und Gott sei Dank, dass es nicht die Lunge war! Wenn es aber dennoch die Lunge gewesen waere, -- diese neue Patientin haette keinen holderen und veredelteren, keinen entrueckteren und unstofflicheren Anblick gewaehren koennen als jetzt, da sie an der Seite ihres staemmigen Gatten, weich und ermuedet in den weisslackierten, gradlinigen Armsessel zurueckgelehnt, dem Gespraeche folgte. Ihre schoenen, blassen Haende, ohne Schmuck bis auf den schlichten Ehering, ruhten in den Schossfalten eines schweren und dunklen Tuchrockes, und sie trug eine silbergraue, anschliessende Taille mit festem Stehkragen, die mit hochaufliegenden Sammetarabesken ueber und ueber besetzt war. Aber diese gewichtigen und warmen Stoffe liessen die unsaegliche Zartheit, Suessigkeit und Mattigkeit des Koepfchens nur noch ruehrender, unirdischer und lieblicher erscheinen. Ihr lichtbraunes Haar, tief im Nacken zu einem Knoten zusammengefasst, war glatt zurueckgestrichen, und nur in der Naehe der rechten Schlaefe fiel eine krause, lose Locke in die Stirn, unfern der Stelle, wo ueber der markant gezeichneten Braue ein kleines, seltsames Aederchen sich blassblau und kraenklich in der Klarheit und Makellosigkeit dieser wie durchsichtigen Stirn verzweigte. Dies blaue Aederchen ueber dem Auge beherrschte auf eine beunruhigende Art das ganze feine Oval des Gesichts. Es trat sichtbarer hervor, sobald die Frau zu sprechen begann, ja sobald sie auch nur laechelte, und es gab alsdann dem Gesichtsausdruck etwas Angestrengtes, ja selbst Bedraengtes, was unbestimmte Befuerchtungen erweckte. Dennoch sprach sie und laechelte. Sie sprach freimuetig und freundlich mit ihrer leicht verschleierten Stimme, und sie laechelte mit ihren Augen, die ein wenig muehsam blickten, ja hie und da eine kleine Neigung zum _Verschiessen_ zeigten, und deren Winkel, zu beiden Seiten der schmalen Nasenwurzel, in tiefem Schatten lagen, sowie mit ihrem schoenen, breiten Munde, der blass war und dennoch zu leuchten schien, vielleicht, weil seine Lippen so ueberaus scharf und deutlich umrissen wa-ren. Manchmal huestelte sie. Hierbei fuehrte sie ihr Taschentuch zum Munde und betrachtete es alsdann. "Huestle nicht, Gabriele", sagte Herr Kloeterjahn. "Du weisst, dass Doktor Hinzpeter zu Hause es dir extra verboten hat, darling, und es ist bloss, dass man sich zusammennimmt, mein Engel. Es ist, wie gesagt, die Luftroehre", wiederholte er. "Ich glaubte wahrhaftig, es waere die Lunge, als es losging, und kriegte, weiss Gott, einen Schreck. Aber es ist nicht die Lunge, nee, Deubel noch mal, auf so was lassen wir uns nicht ein, was, Gabriele? hoe, hoe!" "Zweifelsohne", sagte Doktor Leander und funkelte sie mit seinen Brillenglaesern an. Hierauf verlangte Herr Kloeterjahn Kaffee -- Kaffee und Buttersemmeln, und er hatte eine anschauliche Art, den K-Laut ganz hinten im Schlunde zu bilden und "Bottersemmeln" zu sagen, dass jedermann Appetit bekommen musste. Er bekam, was er wuenschte, bekam auch Zimmer fuer sich und seine Gattin, und man richtete sich ein. Uebrigens uebernahm Doktor Leander selbst die Behandlung, ohne Doktor Mueller fuer den Fall in Anspruch zu nehmen. 3 Die Persoenlichkeit der neuen Patientin erregte ungewoehnliches Aufsehen in >Einfried<, und Herr Kloeterjahn, gewoehnt an solche Erfolge, nahm jede Huldigung, die man ihr darbrachte, mit Genugtuung entgegen. Der diabetische General hoerte einen Augenblick zu murren auf, als er ihrer zum ersten Male ansichtig wurde, die Herren mit den entfleischten Gesichtern laechelten und versuchten angestrengt, ihre Beine zu beherrschen, wenn sie in ihre Naehe kamen, und die Magistratsraetin Spatz schloss sich ihr sofort als aeltere Freundin an. Ja, sie machte Eindruck, die Frau, die Herrn Kloeterjahns Namen trug! Ein Schriftsteller, der seit ein paar Wochen in >Einfried< seine Zeit verbrachte, ein befremdender Kauz, dessen Name wie der eines Edelgesteines lautete, verfaerbte sich geradezu, als sie auf dem Korridor an ihm vorueberging, blieb stehen und stand noch immer wie angewurzelt, als sie schon laengst entschwunden war. Zwei Tage waren noch nicht vergangen, als die ganze Kurgesellschaft mit ihrer Geschichte vertraut war. Sie war aus Bremen gebuertig, was uebrigens, wenn sie sprach, an gewissen liebenswuerdigen Lautverzerrungen zu erkennen war, und hatte dortselbst vor zwiefacher Jahresfrist dem Grosshaendler Kloeterjahn ihr Ja-Wort fuers Leben erteilt. Sie war ihm in seine Vaterstadt, dort oben am Ostseestrande, gefolgt und hatte ihm vor nun etwa zehn Monaten unter ganz aussergewoehnlich schweren und gefaehrlichen Umstaenden ein Kind, einen bewundernswert lebhaften und wohlgeratenen Sohn und Erben beschert. Seit diesen furchtbaren Tagen aber war sie nicht wieder zu Kraeften gekommen, gesetzt, dass sie jemals bei Kraeften gewesen war. Sie war kaum vom Wochenbette erstanden, aeusserst erschoepft, aeusserst verarmt an Lebenskraeften, als sie beim Husten ein wenig Blut aufgebracht hatte, -- oh, nicht viel, ein unbedeutendes bisschen Blut; aber es waere doch besser ueberhaupt nicht zum Vorschein gekommen, und das Bedenkliche war, dass derselbe kleine unheimliche Vorfall sich nach kurzer Zeit wiederholte. Nun, es gab Mittel hiergegen, und Doktor Hinzpeter, der Hausarzt, bediente sich ihrer. Vollstaendige Ruhe wurde geboten, Eisstueckchen wurden geschluckt, Morphium ward gegen den Hustenreiz verabfolgt und das Herz nach Moeglichkeit beruhigt. Die Genesung aber wollte sich nicht einstellen, und waehrend das Kind, Anton Kloeterjahn der Juengere, ein Prachtstueck von einem Baby, mit ungeheurer Energie und Ruecksichtslosigkeit seinen Platz im Leben eroberte und behauptete, schien die junge Mutter in einer sanften und stillen Glut dahinzuschwinden ... Es war, wie gesagt, die Luftroehre, ein Wort, das in Doktor Hinzpeters Munde eine ueberraschend troestliche, beruhigende, fast erheiternde Wirkung auf alle Gemueter ausuebte. Aber obgleich es nicht die Lunge war, hatte der Doktor schliesslich den Einfluss eines milderen Klimas und des Aufenthaltes in einer Kuranstalt zur Beschleunigung der Heilung als dringend wuenschenswert erachtet, und der Ruf des Sanatoriums >Einfried< und seines Leiters hatte das uebrige getan. So verhielt es sich; und Herr Kloeterjahn selbst erzaehlte es jedem, der Interesse dafuer an den Tag legte. Er redete laut, salopp und gutgelaunt, wie ein Mann, dessen Verdauung sich in so guter Ordnung befindet wie seine Boerse, mit weit ausladenden Lippenbewegungen, in der breiten und dennoch rapiden Art der Kuestenbewohner vom Norden. Manche Worte schleuderte er hervor, dass jeder Laut einer kleinen Entladung glich, und lachte darueber wie ueber einen gelungenen Spass. Er war mittelgross, breit, stark und kurzbeinig und besass ein volles, rotes Gesicht mit wasserblauen Augen, die von ganz hellblonden Wimpern beschattet waren, geraeumigen Nuestern und feuchten Lippen. Er trug einen englischen Backenbart, war ganz englisch gekleidet und zeigte sich entzueckt, eine englische Familie, Vater, Mutter und drei huebsche Kinder mit ihrer nurse, in >Einfried< anzutreffen, die sich hier aufhielt, einzig und allein, weil sie nicht wusste, wo sie sich sonst aufhalten sollte, und mit der er morgens englisch fruehstueckte. Uebrigens liebte er es, viel und gut zu speisen und zu trinken, zeigte sich als ein wirklicher Kenner von Kueche und Keller und unterhielt die Kurgesellschaft aufs anregendste von den Diners, die daheim in seinem Bekanntenkreise gegeben wurden, sowie mit der Schilderung gewisser auserlesener, hier unbekannter Platten. Hierbei zogen seine Augen sich mit freundlichem Ausdruck zusammen und seine Sprache erhielt etwas Gaumiges und Nasales, indes leicht schmatzende Geraeusche im Schlunde sie begleiteten. Dass er auch anderen irdischen Freuden nicht grundsaetzlich abhold war, bewies er an jenem Abend, als ein Kurgast von >Einfried<, ein Schriftsteller von Beruf, ihn auf dem Korridor in ziemlich unerlaubter Weise mit einem Stubenmaedchen scherzen sah, -- ein kleiner, humoristischer Vorgang, zu dem der betreffende Schriftsteller eine laecherlich angeekelte Miene machte. Was Herrn Kloeterjahns Gattin anging, so war klar und deutlich zu beobachten, dass sie ihm von Herzen zugetan war. Sie folgte laechelnd seinen Worten und Bewegungen: nicht mit der ueberheblichen Nachsicht, die manche Leidenden den Gesunden entgegenbringen, sondern mit der liebenswuerdigen Freude und Teilnahme gutgearteter Kranker an den zuversichtlichen Lebensaeusserungen von Leuten, die in ihrer Haut sich wohlfuehlen. Herr Kloeterjahn verweilte nicht lange in >Einfried<. Er hatte seine Gattin hierher geleitet; nach Verlauf einer Woche aber, als er sie wohl aufgehoben und in guten Haenden wusste, war seines Bleibens nicht laenger. Pflichten von gleicher Wichtigkeit, sein bluehendes Kind, sein ebenfalls bluehendes Geschaeft, riefen ihn in die Heimat zurueck; sie zwangen ihn, abzureisen und seine Frau im Genusse der besten Pflege zurueckzulassen. 4 _Spinell_ hiess der Schriftsteller, der seit mehreren Wochen in >Einfried< lebte, Detlev Spinell war sein Name, und sein Aeusseres war wunderlich. Man vergegenwaertige sich einen Bruenetten am Anfang der Dreissiger und von stattlicher Statur, dessen Haar an den Schlaefen schon merklich zu ergrauen beginnt, dessen rundes, weisses, ein wenig gedunsenes Gesicht aber nicht die Spur irgendeines Bartwuchses zeigt. Es war nicht rasiert, -- man haette es gesehen; weich, verwischt und knabenhaft, war es nur hier und da mit einzelnen Flaumhaerchen besetzt. Und das sah ganz merkwuerdig aus. Der Blick seiner rehbraunen, blanken Augen war von sanftem Ausdruck, die Nase gedrungen und ein wenig zu fleischig. Ferner besass Herr Spinell eine gewoelbte, poroese Oberlippe roemischen Charakters, grosse, karioese Zaehne und Fuesse von seltenem Umfange. Einer der Herren mit den unbeherrschten Beinen, der ein Zyniker und Witzbold war, hatte ihn hinter seinem Ruecken "der verweste Saeugling" getauft; aber das war haemisch und wenig zutreffend. -- Er ging gut und modisch gekleidet, in langem schwarzen Rock und farbig punktierter Weste. Er war ungesellig und hielt mit keiner Seele Gemeinschaft. Nur zuweilen konnte eine leutselige, liebevolle und ueberquel-lende Stimmung ihn befallen, und das geschah jedesmal, wenn Herr Spinell in aesthetischen Zustand verfiel, wenn der Anblick von irgend etwas Schoenem, der Zusammenklang zweier Farben, eine Vase von edler Form, das vom Sonnenuntergang bestrahlte Gebirge ihn zu lauter Bewunderung hinriss. "Wie schoen!" sagte er dann, indem er den Kopf auf die Seite legte, die Schultern emporzog, die Haende spreizte und Nase und Lippen krauste. "Gott, sehen Sie, wie schoen!" Und er war imstande, blindlings die distinguiertesten Herrschaften, ob Mann oder Weib, zu umhalsen in der Bewegung solcher Augenblicke... Bestaendig lag auf seinem Tische, fuer jeden sichtbar, der sein Zimmer betrat, das Buch, das er geschrieben hatte. Es war ein Roman von maessigem Umfange, mit einer vollkommen verwirrenden Umschlagzeichnung versehen und gedruckt auf einer Art von Kaffee-Sieb-Papier mit Buchstaben, von denen ein jeder aussah wie eine gotische Kathedrale. Fraeulein von Osterloh hatte es in einer muessigen Viertelstunde gelesen und fand es "raffiniert", was ihre Form war, das Urteil "unmenschlich langweilig" zu umschreiben. Es spielte in mondaenen Salons, in ueppigen Frauengemaechern, die voller erlesener Gegenstaende waren, voll von Gobelins, uralten Meubles, koestlichem Porzellan, unbezahlbaren Stoffen und kuenstlerischen Kleinodien aller Art. Auf die Schilderung dieser Dinge war der liebevollste Wert gelegt, und bestaendig sah man dabei Herrn Spinell, wie er die Nase kraus zog und sagte: "Wie schoen! Gott, sehen Sie, wie schoen!" ... Uebrigens musste es wundernehmen, dass er noch nicht mehr Buecher verfasst hatte als dieses eine, denn augenscheinlich schrieb er mit Leidenschaft. Er verbrachte den groesseren Teil des Tages schreibend auf seinem Zimmer und liess ausserordentlich viele Briefe zur Post befoerdern, fast taeglich einen oder zwei, -- wobei es nur als befremdend und belustigend auffiel, dass er seinerseits hoechst selten welche empfing... 5 Herr Spinell sass der Gattin Herrn Kloeterjahns bei Tische gegenueber. Zur ersten Mahlzeit, an der die Herrschaften teilnahmen, erschien er ein wenig zu spaet in dem grossen Speisesaal im Erdgeschoss des Seitenfluegels, sprach mit weicher Stimme einen an alle gerichteten Gruss und begab sich an seinen Platz, worauf Doktor Leander ihn ohne viel Zeremonie den neu Angekommenen vorstellte. Er verbeugte sich und begann dann, offenbar ein wenig verlegen, zu essen, indem er Messer und Gabel mit seinen grossen, weissen und schoen geformten Haenden, die aus sehr engen Aermeln hervorsahen, in ziemlich affektierter Weise bewegte. Spaeter ward er frei und betrachtete in Gelassenheit abwechselnd Herrn Kloeterjahn und seine Gattin. Auch richtete Herr Kloeterjahn im Verlaufe der Mahlzeit einige Fragen und Bemerkungen betreffend die Anlage und das Klima von >Einfried< an ihn, in die seine Frau in ihrer lieblichen Art zwei oder drei Worte einfliessen liess, und die Herr Spinell hoeflich beantwortete. Seine Stimme war mild und recht angenehm; aber er hatte eine etwas behinderte und schluerfende Art zu sprechen, als seien seine Zaehne der Zunge im Wege. Nach Tische, als man ins Konversationszimmer hinuebergegangen war und Doktor Leander den neuen Gaesten im besonderen eine gesegnete Mahlzeit wuenschte, erkundigte sich Herrn Kloeterjahns Gattin nach ihrem Gegenueber. "Wie heisst der Herr?" fragte sie ... "Spinelli? Ich habe den Namen nicht verstanden." "Spinell ... nicht Spinelli, gnaedige Frau. Nein, er ist kein Italiener, sondern bloss aus Lemberg gebuertig, soviel ich weiss ..." "Was sagten Sie? Er ist Schriftsteller? Oder was?" fragte Herr Kloeterjahn; er hielt die Haende in den Taschen seiner bequemen englischen Hose, neigte sein Ohr dem Doktor zu und oeffnete, wie manche Leute pflegen, den Mund beim Horchen. "Ja, ich weiss nicht, -- er schreibt ..." antwortete Doktor Leander. "Er hat, glaube ich, ein Buch veroeffentlicht, eine Art Roman, ich weiss wirklich nicht ..." Dieses wiederholte "Ich weiss nicht" deutete an, dass Doktor Leander keine grossen Stueke auf den Schriftsteller hielt und jede Verantwortung fuer ihn ablehnte. "Aber das ist ja sehr interessant!" sagte Herrn Kloeterjahns Gattin. Sie hatte noch nie einen Schriftsteller von Angesicht zu Angesicht gesehen. "O ja", erwiderte Doktor Leander entgegenkommend. "Er soll sich eines gewissen Rufes erfreuen ..." Dann wurde nicht mehr von dem Schriftsteller gesprochen. Aber ein wenig spaeter, als die neuen Gaeste sich zurueckgezogen hatten und Doktor Leander ebenfalls das Konversationszimmer verlassen wollte, hielt Herr Spinell ihn zuruek und erkundigte sich auch seinerseits. "Wie ist der Name des Paares?" fragte er ... "Ich habe natuerlich nichts verstanden." "Kloeterjahn", antwortete Doktor Leander und ging schon wieder. "_Wie_ heisst der Mann?" fragte Herr Spinell ... "_Kloeterjahn_ heissen sie!" sagte Doktor Leander und ging seiner Wege. -- Er hielt gar keine grossen Stueke auf den Schriftsteller. 6 Waren wir schon soweit, dass Herr Kloeterjahn in die Heimat zuruekgekehrt war? Ja, er weilte wieder am Ostseestrande, bei seinen Geschaeften und seinem Kinde, diesem rueksichtslosen und lebensvollen kleinen Geschoepf, das seiner Mutter sehr viele Leiden und einen kleinen Defekt an der Luftroehre gekostet hatte. Sie selbst aber, die junge Frau, blieb in >Einfried< zurueck, und die Magistratsraetin Spatz schloss sich ihr als aeltere Freundin an. Das aber hinderte nicht, dass Herrn Kloeterjahns Gattin auch mit den uebrigen Kurgaesten gute Kameradschaft pflegte, zum Beispiel mit Herrn Spinell, der ihr zum Erstaunen aller (denn er hatte bislang mit keiner Seele Gemeinschaft gehalten) von Anbeginn eine ausserordentliche Ergebenheit und Dienstfertigkeit entgegenbrachte, und mit dem sie in den Freistunden, die eine strenge Tagesordnung ihr liess, nicht ungern plauderte. Er naeherte sich ihr mit einer ungeheuren Behutsamkeit und Ehrerbietung und sprach zu ihr nicht anders als mit sorgfaeltig gedaempfter Stimme, so dass die Raetin Spatz, die an den Ohren krankte, meistens ueberhaupt nichts von dem verstand, was er sagte. Er trat auf den Spitzen seiner grossen Fuesse zu dem Sessel, in dem Herrn Kloeterjahns Gattin zart und laechelnd lehnte, blieb in einer Entfernung von zwei Schritten stehen, hielt das eine Bein zurueckgestellt und den Oberkoerper vorgebeugt und sprach in seiner etwas behinderten und schluerfenden Art leise, eindringlich und jeden Augenblick bereit, eilends zurueckzutreten und zu verschwinden, sobald ein Zeichen von Ermuedung und Ueberdruss sich auf ihrem Gesicht bemerkbar machen wuerde. Aber er verdross sie nicht; sie forderte ihn auf, sich zu ihr und der Raetin zu setzen, richtete irgendeine Frage an ihn und hoerte ihm dann laechelnd und neugierig zu, denn manchmal liess er sich so amuesant und seltsam vernehmen, wie es ihr noch niemals begegnet war. "Warum sind Sie eigentlich in >EinfriedEinfried< ist ganz empire, es ist ehedem ein Schloss, eine Sommer-Residenz gewesen, wie man mir sagt. Dieser Seitenfluegel ist ja ein Anbau aus spaeterer Zeit, aber das Hauptgebaeude ist alt und echt. Es gibt Zeiten, in denen ich das empire einfach nicht entbehren kann, in denen es mir, um einen bescheidenen Grad des Wohlbefindens zu erreichen, unbedingt noetig ist. Es ist klar, dass man sich anders befindet zwischen Moebeln weich und bequem bis zur Laszivitaet, und anders zwischen diesen gereadlinigen Tischen, Sesseln und Draperieen ... Diese Helligkeit und Haerte, diese kalte, herbe Einfachheit und reservierte Strenge verleiht mir Haltung und Wuerde, gnaedige Frau, sie hat auf die Dauer eine innere Reinigung und Restaurierung zur Folge, sie hebt mich sittlich, ohne Frage...." "Ja, das ist merkwuerdig", sagte sie. "Uebrigens verstehe ich es, wenn ich mir Muehe gebe." Hierauf erwiderte er, dass es irgendwelcher Muehe nicht lohne, und dann lachten sie miteinander. Auch die Raetin Spatz lachte und fand es merkwuerdig; aber sie sagte nicht, dass sie es verstuende. Das Konversationszimmer war geraeumig und schoen. Die hohe, weisse Fluegeltuer zu dem anstossenden Billard-Raume stand weit geoeffnet, wo die Herren mit den unbeherrschten Beinen und andere sich vergnuegten. Andererseits gewaehrte eine Glastuer den Ausblick auf die breite Terrasse und den Garten. Seitwaerts davon stand ein Piano. Ein gruenausgeschlagener Spieltisch war vorhanden, an dem der diabetische General mit ein paar anderen Herren Whist spielte. Damen lasen und waren mit Handarbeiten beschaeftigt. Ein eiserner Ofen besorgte die Heizung, aber vor dem stilvollen Kamin, in dem nachgeahmte, mit gluehroten Papierstreifen beklebte Kohlen lagen, waren behagliche Plauderplaetze. "Sie sind ein Fruehaufsteher, Herr Spinell", sagte Herrn Kloeterjahns Gattin. "Zufaellig habe ich Sie nun schon zwei- oder dreimal um halb acht Uhr am Morgen das Haus verlassen sehen." "Ein Fruehaufsteher? Ach, sehr mit Unterschied, gnaedige Frau. Die Sache ist die, dass ich frueh aufstehe, weil ich eigentlich ein Langschlaefer bin." "Das muessen Sie nun erklaeren, Herr Spinell!" -- Auch die Raetin Spatz wollte es erklaert haben. "Nun ... ist man ein Fruehaufsteher, so hat man es, duenkt mich, nicht noetig, gar so frueh aufzustehen. Das Gewissen, gnaedige Frau ... es ist eine schlimme Sache mit dem Gewissen! Ich und meinesgleichen, wir schlagen uns zeit unseres Lebens damit herum und haben alle Haende voll zu tun, es hier und da zu betruegen und ihm kleine, schlaue Genugtuungen zuteil werden zu lassen. Wir sind unnuetze Geschoepfe, ich und meinesgleichen, und abgesehen von wenigen guten Stunden schleppen wir uns an dem Bewusstsein unserer Unnuetzlichkeit wund und krank. Wir hassen das Nuetzliche, wir wissen, dass es gemein und unschoen ist, und wir verteidigen diese Wahrheit, wie man nur Wahrheiten verteidigt, die man unbedingt noetig hat. Und dennoch sind wir so ganz vom boesen Gewissen zernagt, dass kein heiler Fleck mehr an uns ist. Hinzu kommt, dass die ganze Art unserer inneren Existenz, unsere Weltanschauung, unsere Arbeitsweise ... von schrecklich ungesunder, unterminierender, aufreibender Wirkung ist, und auch dies verschlimmert die Sache. Da gibt es nun kleine Linderungsmittel, ohne die man es einfach nicht aushielte. Eine gewisse Artigkeit und hygienische Strenge der Lebensfuehrung zum Beispiel ist manchen von uns Beduerfnis. Frueh aufstehen, grausam frueh, ein kaltes Bad und ein Spaziergang hinaus in den Schnee ... Das macht, dass wir vielleicht eine Stunde lang ein wenig zufrieden mit uns sind. Gaebe ich mich, wie ich bin, so wuerde ich bis in den Nachmittag hinein im Bette liegen, glauben Sie mir. Wenn ich frueh aufstehe, so ist das eigentlich Heuchelei." "Nein, weshalb, Herr Spinell! Ich nenne das Selbstueberwindung ... Nicht wahr, Frau Raetin?" -- Auch die Raetin Spatz nannte es Selbstueberwindung. "Heuchelei oder Selbstueberwindung, gnaedige Frau! Welches Wort man nun vorzieht. Ich bin so gramvoll ehrlich veranlagt, dass ich ..." "Das ist es. Sicher graemen Sie sich zuviel." "Ja, gnaedige Frau, ich graeme mich viel." -- Das gute Wetter hielt an. Weiss, hart und sauber, in Windstille und lichtem Frost, in blendender Helle und blaeulichem Schatten lag die Gegend, lagen Berge, Haus und Garten, und ein zartblauer Himmel, in dem Myriaden von flimmernden Leuchtkoerperchen, von glitzernden Kristallen zu tanzen schienen, woelbte sich makellos ueber dem Ganzen. Der Gattin Herrn Kloeterjahns ging es leidlich in dieser Zeit; sie war fieberfrei, hustete fast gar nicht und ass ohne allzuviel Widerwillen. Oftmals sass sie, wie das ihre Vorschrift war, stundenlang im sonnigen Frost auf der Terrasse. Sie sass im Schnee, ganz in Decken und Pelzwerk verpackt, und atmete hoffnungsvoll die reine, eisige Luft, um ihrer Luftroehre zu dienen. Dann bemerkte sie zuweilen Herrn Spinell, wie er, ebenfalls warm gekleidet und in Pelzschuhen, die seinen Fuessen einen phantastischen Umfang verliehen, sich im Garten erging. Er ging mit tastenden Schritten und einer gewissen behutsamen und steif-grazioesen Armhaltung durch den Schnee, gruesste sie ehrerbietig, wenn er zur Terrasse kam, und stieg die unteren Stufen hinan, um ein kleines Gespraech zu beginnen. "Heute, auf meinem Morgenspaziergang, habe ich eine schoene Frau gesehen ... Gott, sie war schoen!" sagte er, legte den Kopf auf die Seite und spreizte die Haende. "Wirklich, Herr Spinell? Beschreiben Sie sie mir doch!" "Nein, das kann ich nicht. Oder ich wuerde Ihnen doch ein unrichtiges Bild von ihr geben. Ich habe die Dame im Voruebergehen nur mit einem halben Blicke gestreift, ich habe sie in Wirklichkeit nicht gesehen. Aber der verwischte Schatten von ihr, den ich empfing, hat genuegt, meine Phantasie anzuregen und mich ein Bild mit fortnehmen lassen, das schoen ist ... Gott, es ist schoen!" Sie lachte. "Ist das Ihre Art, sich schoene Frauen zu betrachten, Herr Spinell?" "Ja, gnaedige Frau; und es ist eine bessere Art, als wenn ich ihnen plump und wirklichkeitsgierig ins Gesicht starrte und den Eindruck einer fehlerhaften Tatsaechlichkeit davontruege ..." "Wirklichkeitsgierig ... Das ist ein sonderbares Wort! Ein richtiges Schriftstellerwort, Herr Spinell! Aber es macht Eindruck auf mich, will ich Ihnen sagen. Es liegt so manches darin, wovon ich wenig verstehe, etwas Unabhaengiges und Freies, das sogar der Wirklichkeit die Achtung kuendigt, obgleich sie doch das Respektabelste ist, was es gibt, ja das Respektable selbst ... Und dann begreife ich, dass es etwas gibt ausser dem Handgreiflichen, etwas Zarteres ..." "Ich weiss nur ein Gesicht", sagte er ploetzlich mit einer seltsam freudigen Bewegung in der Stimme, erhob seine geballten Haende zu den Schultern und liess in einem exaltierten Laecheln seine karioesen Zaehne sehen ... "Ich weiss nur ein Gesicht, dessen veredelte Wirklichkeit durch meine Einbildung korrigieren zu wollen suendhaft waere, das ich betrachten, auf dem ich verweilen moechte, nicht Minuten, nicht Stunden, sondern mein ganzes Leben lang, mich ganz darin verlieren und alles Irdische darueber vergessen ..." "Ja, ja, Herr Spinell! Nur dass Fraeulein von Osterloh doch ziemlich abstehende Ohren hat." Er schwieg und verbeugte sich tief. Als er wieder aufrecht stand, ruhten seine Augen mit einem Ausdruck von Verlegenheit und Schmerz auf dem kleinen, seltsamen Aederchen, das sich blassblau und kraenklich in der Klarheit ihrer wie durchsichtigen Stirn verzweigte. 7 Ein Kauz, ein ganz wunderlicher Kauz! Herrn Kloeterjahns Gattin dachte zuweilen nach ueber ihn, denn sie hatte sehr viel Zeit zum Nachdenken. Sei es, dass der Luftwechsel anfing, die Wirkung zu versagen, oder dass irgendein positiv schaedlicher Einfluss sie beruehrt hatte: ihr Befinden war schlechter geworden, der Zustand ihrer Luftroehre schien zu wuenschen uebrigzulassen, sie fuehlte sich schwach, muede, appetitlos, fieberte nicht selten; und Doktor Leander hatte ihr aufs entschiedenste Ruhe, Stillverhalten und Vorsicht empfohlen. So sass sie, wenn sie nicht liegen musste, in Gesellschaft der Raetin Spatz, verhielt sich still und hing, eine Handarbeit im Schoesse, an der sie nicht arbeitete, diesem oder jenem Gedanken nach. Ja, er machte ihr Gedanken, dieser absonderliche Herr Spinell, und, was das Merkwuerdige war, nicht sowohl ueber seine als ueber ihre eigene Person; auf irgendeine Weise rief er in ihr eine seltsame Neugier, ein nie gekanntes Interesse fuer ihr eigenes Sein hervor. Eines Tages hatte er gespraechsweise geaeussert: "Nein, es sind raetselvolle Tatsachen, die Frauen ... sowenig neu es ist, sowenig kann man ablassen, davor zu stehen und zu staunen. Da ist ein wunderbares Geschoepf, eine Sylphe, ein Duftgebild, ein Maerchentraum von einem Wesen. Was tut sie? Sie geht hin und ergibt sich einem Jahrmarktsherkules oder Schlaechterburschen. Sie kommt an seinem Arme daher, lehnt vielleicht sogar ihren Kopf an seine Schulter und blickt dabei verschlagen laechelnd um sich her, als wollte sie sagen: Ja, nun zerbrecht euch die Koepfe ueber diese Erscheinung! -- Und wir zerbrechen sie uns." -- Hiermit hatte Herrn Kloeterjahns Gattin sich wiederholt beschaeftigt. Eines anderen Tages fand zum Erstaunen der Raetin Spatz folgendes Zwiegespraech zwischen ihnen statt. "Darf ich einmal fragen, gnaedige Frau (aber es ist wohl naseweis), wie Sie heissen, wie eigentlich Ihr Name ist?" "Ich heisse doch Kloeterjahn, Herr Spinell!" "Hm.-- Das weiss ich. Oder vielmehr: ich leugne es. Ich meine natuerlich Ihren eigenen Namen, Ihren Maedchennamen. Sie werden gerecht sein und einraeumen, gnaedige Frau, dass, wer Sie >Frau Kloeterjahn< nennen wollte, die Peitsche verdient." Sie lachte so herzlich, dass das blaue Aederchen ueber ihrer Braue beaengstigend deutlich hervortrat und ihrem zarten, suessen Gesicht einen Ausdruck von Anstrengung und Bedraengnis verlieh, der tief beunruhigte. "Nein! Bewahre, Herr Spinell! Die Peitsche? Ist >Kloeterjahn< Ihnen so fuerchterlich?" "Ja, gnaedige Frau, ich hasse diesen Namen aus Herzensgrund, seit ich ihn zum erstenmal vernahm. Er ist komisch und zum Verzweifeln unschoen, und es ist Barbarei und Niedertracht, wenn man die Sitte so weit treibt, auf Sie den Namen Ihres Herrn Gemahls zu uebertragen." "Nun, und >EckhofEckhof< ist etwas ganz anderes! Eckhof hiess sogar ein grosser Schauspieler. Eckhof passiert. -- Sie erwaehnten nur Ihres Vaters. Ist Ihre Frau Mutter ..." "Ja; meine Mutter starb, als ich noch klein war." "Ah. -- Sprechen Sie mir doch ein wenig mehr von Ihnen, darf ich Sie bitten? Wenn es Sie ermuedet, dann nicht. Dann ruhen Sie, und ich fahre fort, Ihnen von Paris zu erzaehlen, wie neulich. Aber Sie koennten ja ganz leise reden, ja, wenn Sie fluestern, so wird das alles nur schoener machen ... Sie wurden in Bremen geboren?" Und diese Frage tat er beinahe tonlos, mit einem ehrfurchtsvollen und inhaltsschweren Ausdruck, als sei Bremen eine Stadt ohnegleichen, eine Stadt voller unnennbarer Abenteuer und verschwiegener Schoenheiten, in der geboren zu sein eine geheimnisvolle Hoheit verleihe. "Ja, denken Sie!" sagte sie unwillkuerlich. "Ich bin aus Bremen." "Ich war einmal dort", bemerkte er nachdenklich. -- "Mein Gott, Sie waren auch _dort_? Nein, hoeren Sie, Herr Spinell, zwischen Tunis und Spitzbergen haben Sie, glaube ich, alles gesehen!" "Ja, ich war einmal dort", wiederholte er. "Ein paar kurze Abendstunden. Ich entsinne mich einer alten, schmalen Strasse, ueber deren Giebeln schief und seltsam der Mond stand. Dann war ich in einem Keller, in dem es nach Wein und Moder roch. Das ist eine durchdringende Erinnerung ..." "Wirklich? Wo mag das gewesen sein?-Ja, in solchem grauen Giebelhause, einem alten Kaufmannshause mit hallender Diele und weisslackierter Galerie, bin ich geboren." "Ihr Herr Vater ist also Kaufmann?" fragte er ein wenig zoegernd. "Ja. Aber ausserdem und eigentlich wohl in erster Linie ist er ein Kuenstler." "Ah! Ah!. Inwiefern?" "Er spielt die Geige ... Aber das sagt nicht viel. _Wie_ er sie spielt, Herr Spinell, das ist die Sache! Einige Toene habe ich niemals hoeren koennen, ohne dass mir die Traenen so merkwuerdig brennend in die Augen stiegen, wie sonst bei keinem Erlebnis. Sie glauben es nicht ..." "Ich glaube es! Ach, ob ich es glaube! ... Sagen Sie mir, gnaedige Frau: Ihre Familie ist wohl alt? Es haben wohl schon viele Generationen in dem grauen Giebelhaus gelebt, gearbeitet und das Zeitliche gesegnet?" "Ja. -- Warum fragen Sie uebrigens?" "Weil es nicht selten geschieht, dass ein Geschlecht mit praktischen, buergerlichen und trockenen Traditionen sich gegen das Ende seiner Tage noch einmal durch die Kunst verklaert." "Ist dem so? -- Ja, was meinen Vater betrifft, so ist er sicherlich mehr ein Kuenstler als mancher, der sich so nennt und vom Ruhme lebt. Ich spiele nur ein bisschen Klavier. Jetzt haben sie es mir ja verboten; aber damals, zu Hause, spielte ich noch. Mein Vater und ich, wir spielten zusammen ... Ja, ich habe all die Jahre in iieber Erinnerung; besonders den Garten, unseren Garten, hinterm Hause. Er war jaemmerlich verwildert und verwuchert und von zerbroeckelten, bemoosten Mauern eingeschlossen; aber gerade das gab ihm viel Reiz. In der Mitte war ein Springbrunnen, mit einem dichten Kranz von Schwertlilien umgeben. Im Sommer verbrachte ich dort lange Stunden mit meinen Freundinnen. Wir sassen alle auf kleinen Feldsesseln rund um den Springbrunnen herum ..." "Wie schoen!" sagte Herr Spinell und zog die Schultern empor. "Sassen Sie und sangen?" "Nein, wir haekelten meistens." "Immerhin ... Immerhin ..." "Ja, wir haekelten und schwatzten, meine sechs Freundinnen und ich ..." "Wie schoen! Gott, hoeren Sie, wie schoen!" rief Herr Spinell, und sein Gesicht war gaenzlich verzerrt. "Was finden Sie nun _hieran_ so besonders schoen, Herr Spinell!" "Oh, dies, dass es sechs ausser Ihnen waren, dass Sie nicht in diese Zahl eingeschlossen waren, sondern dass Sie gleichsam als Koenigin daraus hervortraten ... Sie waren ausgezeichnet vor Ihren sechs Freundinnen. Eine kleine goldene Krone, ganz unscheinbar, aber bedeutungsvoll, sass in Ihrem Haar und blinkte ..." "Nein, Unsinn, nichts von einer Krone ..." "Doch, sie blinkte heimlich. Ich haette sie gesehen, haette sie deutlich in Ihrem Haar gesehen, wenn ich in einer dieser Stunden unvermerkt im Gestruepp gestanden haette ..." "Gott weiss, was Sie gesehen haetten. Sie standen aber nicht dort, sondern eines Tages war es mein jetziger Mann, der zusammen mit meinem Vater aus dem Gebuesch hervortrat. Ich fuerchte, sie hatten sogar allerhand von unserem Geschwaetz belauscht ..." "Dort war es also, wo Sie Ihren Herrn Gemahl kennenlernten, gnaedige Frau?" "Ja, dort lernte ich ihn kennen!" sagte sie laut und froehlich, und indem sie laechelte, trat das zartblaue Aederchen angestrengt und seltsam ueber ihrer Braue hervor. "Er besuchte meinen Vater in Geschaeften, wissen Sie. Am naechsten Tage war er zum Diner geladen, und noch drei Tage spaeter hielt er um meine Hand an." "Wirklich! Ging das alles so ausserordentlich schnell?" "Ja ... Das heisst, von nun an ging es ein wenig langsamer. Denn mein Vater war der Sache eigentlich gar nicht geneigt, muessen Sie wissen, und machte eine laengere Bedenkzeit zur Bedingung. Erstens wollte er mich lieber bei sich behalten, und dann hatte er noch andere Skrupeln. Aber..." "Aber?" "Aber ich _wollte_ es eben", sagte sie laechelnd, und wieder beherrschte das blassblaue Aederchen mit einem bedraengten und kraenklichen Ausdruck ihr ganzes liebliches Gesicht. "Ah, Sie wollten es." "Ja, und ich habe einen ganz festen und respektablen Willen gezeigt, wie Sie sehen ..." "Wie ich es sehe. Ja." "... so dass mein Vater sich schliesslich darein ergeben musste." "Und so verliessen Sie ihn denn und seine Geige, verliessen das alte Haus, den verwucherten Garten, den Springbrunnen und Ihre sechs Freundinnen und zogen mit Herrn Kloeterjahn." "Und zog mit ... Sie haben eine Ausdrucksweise, Herr Spi nell -! Beinahe biblisch! -- Ja, ich verliess das alles, denn so will es ja die Natur." "Ja, so will sie es wohl." "Und dann handelte es sich ja um mein Glueck." "Gewiss. Und es kam, das Glueck ..." "Das kam in der Stunde, Herr Spinell, als man mir zuerst den kleinen Anton brachte, unseren kleinen Anton, und als er so kraeftig mit seinen kleinen gesunden Lungen schrie, stark und gesund wie er ist ..." "Es ist nicht das erstemal, dass ich Sie von der Gesundheit Ihres kleinen Anton sprechen hoere, gnaedige Frau. Er muss ganz ungewoehnlich gesund sein?" "Das ist er. Und er sieht meinem Mann so laecherlich aehnlich!" "Ah! -- Ja, so begab es sich also. Und nun heissen Sie nicht mehr Eckhof, sondern anders, und haben den kleinen gesunden Anton und leiden ein wenig an der Luftroehre." "Ja. -- Und _Sie_ sind ein durch und durch raetselhafter Mensch, Herr Spinell, dessen versichere ich Sie ..." "Ja, straf mich Gott, das sind Sie!" sagte die Raetin Spatz, die uebrigens auch noch vorhanden war. Aber auch mit diesem Gespraech beschaeftigte Herrn Kloeterjahns Gattin sich mehrere Male in ihrem Innern. So nichtssagend es war, barg es doch einiges auf seinem Grunde, was ihren Gedanken ueber sich selbst Nahrung gab. War _dies_ der schaedliche Einfluss, der sie beruehrte? Ihre Schwaeche nahm zu, und oft stellte Fieber sich ein, eine stille Glut, in der sie mit einem Gefuehle sanfter Gehobenheit ruhte, der sie sich in einer nachdenklichen, prezioesen, selbstgefaelligen und ein wenig beleidigten Stimmung ueberliess. Wenn sie nicht das Bett huetete und Herr Spinell auf den Spitzen seiner grossen Fuesse mit ungeheurer Behutsamkeit zu ihr trat, in einer Entfernung von zwei Schritten stehenblieb und, das eine Bein zurueckgestellt und den Oberkoerper vorgebeugt, mit ehrfuerchtig gedaempfter Stimme zu ihr sprach, wie als hoebe er sie in scheuer Andacht sanft und hoch empor und bettete sie auf Wolkenpfuehle, woselbst kein schriller Laut und keine irdische Beruehrung sie erreichen solle..., so erinnerte sie sich der Art, in der Herr Kloeterjahn zu sagen pflegte: "Vorsichtig, Gabriele, take care, mein Engel, und halte den Mund zu!", eine Art, die wirkte, als schluege er einem hart und wohlmeinend auf die Schulter. Dann aber wandte sie sich rasch von dieser Erinnerung ab, um in Schwaeche und Gehobenheit auf den Wolkenpfuehlen zu ruhen, die Herr Spinell ihr dienend bereitete. Eines Tages kam sie unvermittelt auf das kleine Gespraech zurueck, das sie mit ihm ueber ihre Herkunft und Jugend gefuehrt hatte. "Es ist also wahr", fragte sie, "Herr Spinell, dass Sie die Krone gesehen haetten?" Und obgleich jene Plauderei schon vierzehn Tage zuruecklag, wusste er sofort, um was es sich handelte, und versicherte ihr mit bewegten Worten, dass er damals am Springbrunnen, als sie unter ihren sechs Freundinnen sass, die kleine Krone haette blinken, -- sie heimlich in ihrem Haar haette blinken sehen. Einige Tage spaeter erkundigte sich ein Kurgast aus Artigkeit bei ihr nach dem Wohlergehen ihres kleinen Anton daheim. Sie liess zu Herrn Spinell, der sich in der Naehe befand, einen hurtigen Blick hinuebergleiten und antwortete ein wenig gelangweilt: "Danke; wie soll es dem wohl gehen? -- Ihm und meinem Mann geht es gut." 8 Ende Februar, an einem Frosttage, reiner und leuchtender als alle, die vorhergegangen waren, herrschte in >Einfried< nichts als Uebermut. Die Herrschaften mit den Herzfehlern besprachen sich untereinander mit geroeteten Wangen, der diabetische General traellerte wie ein Juengling, und die Herren mit den unbeherrschten Beinen waren ganz ausser Rand und Band. Was ging vor? Nichts Geringeres, als dass eine gemeinsame Ausfahrt unternommen werden sollte, eine Schlittenpartie in mehreren Fuhrwerken mit Schellenklang und Peitschenknall ins Gebirge hinein: Doktor Leander hatte zur Zerstreuung seiner Patienten diesen Beschluss gefasst. Natuerlich mussten die >Schweren< zu Hause bleiben. Die armen >SchwerenEinfried<. Dass aber auch Herrn Kloeterjahns Gattin erklaerte, daheim bleiben zu wollen, verstimmte allseitig. Vergebens redete Doktor Leander ihr zu, die frische Fahrt auf sich wirken zu lassen; sie behauptete, nicht aufgelegt zu sein, Migraene zu haben, sich matt zu fuehlen, und so musste man sich fuegen. Der Zyniker und Witzbold aber nahm Anlass zu der Bemerkung: "Geben Sie acht, nun faehrt auch der verweste Saeugling nicht mit." Und er bekam recht, denn Herr Spinell liess wissen, dass er heute nachmittag arbeiten wolle -- er gebrauchte sehr gern das Wort >arbeiten< fuer seine zweifelhafte Taetigkeit. Uebrigens beklagte sich keine Seele ueber sein Fortbleiben, und ebenso leicht verschmerzte man es, dass die Raetin Spatz sich entschloss, ihrer juengeren Freundin Gesellschaft zu leisten, da das Fahren sie seekrank mache. Gleich nach dem Mittagessen, das heute schon gegen zwoelf Uhr stattgefunden hatte, hielten die Schlitten vor >Einfried<, und in lebhaften Gruppen, warm vermummt, neugierig und angeregt, bewegten sich die Gaeste durch den Garten. Herrn Kloeterjahns Gattin stand mit der Raetin Spatz an der Glastuer, die zur Terrasse fuehrte, und Herr Spinell am Fenster seines Zimmers, um der Abfahrt zuzusehen. Sie beobachteten, wie unter Scherzen und Gelaechter kleine Kaempfe um die besten Plaetze entstanden, wie Fraeulein von Osterloh, eine Pelzboa um den Hals, von einem Gespann zum anderen lief, um Koerbe mit Esswaren unter die Sitze zu schieben, wie Doktor Leander, die Pelzmuetze in der Stirn, mit seinen funkelnden Brillenglaesern noch einmal das Ganze ueberschaute, dann ebenfalls Platz nahm und das Zeichen zum Aufbruch gab ... Die Pferde zogen an, ein paar Damen kreischten und fielen hintueber, die Schellen klapperten, die kurzstieligen Peitschen knallten und liessen ihre langen Schnuere im Schnee hinter den Kufen dreinschleppen, und Fraeulein von Osterloh stand an der Gatterpforte und winkte mit ihrem Schnupftuch, bis an einer Biegung der Landstrasse die gleitenden Gefaehrte verschwanden, das frohe Geraeusch sich verlor. Dann kehrte sie durch den Garten zurueck, um ihren Pflichten nachzueilen, die beiden Damen verliessen die Glastuer, und fast gleichzeitig trat auch Herr Spinell von seinem Aussichtspunkte ab. Ruhe herrschte in >Einfried<. Die Expedition war vor Abend nicht zurueckzuerwarten. Die >Schweren< lagen in ihren Zimmern und litten. Herrn Kloeterjahns Gattin und ihre aeltere Freundin unternahmen einen kurzen Spaziergang, worauf sie in ihre Gemaecher zurueckkehrten. Auch Herr Spinell befand sich in dem seinen und beschaeftigte sich auf seine Art. Gegen vier Uhr brachte man den Damen je einen halben Liter Milch, waehrend Herr Spinell seinen leichten Tee erhielt. Kurze Zeit darauf pochte Herrn Kloeterjahns Gattin an die Wand, die ihr Zimmer von dem der Magistratsraetin Spatz trennte, und sagte: "Wollen wir nicht ins Konversationszimmer hinuntergehen, Frau Raetin? Ich weiss nicht mehr, was ich hier anfangen soll." "Sogleich, meine Liebe!" antwortete die Raetin. "Ich ziehe nur meine Stiefel an, wenn Sie erlauben. Ich habe naemlich auf dem Bette gelegen, muessen Sie wissen." Wie zu erwarten stand, war das Konversationszimmer leer. Die Damen nahmen am Kamine Platz. Die Raetin Spatz stickte Blumen auf ein Stueck Stramin, und auch Herrn Kloeterjahns Gattin tat ein paar Stiche, worauf sie die Handarbeit in den Schoss sinken liess und ueber die Armlehne ihres Sessels hinweg ins Leere traeumte. Schliesslich machte sie eine Bemerkung, die nicht lohnte, dass man ihretwegen die Zaehne voneinander tat; da aber die Raetin Spatz trotzdem "Wie?" fragte, so musste sie zu ihrer Demuetigung den ganzen Satz wiederholen. Die Raetin Spatz fragte nochmals "Wie?" In diesem Augenblicke aber wurden auf dem Vorplatze Schritte laut, die Tuer oeffnete sich, und Herr Spinell trat ein. "Stoere ich?" fragte er noch an der Schwelle mit sanfter Stimme, waehrend er ausschliesslich Herrn Kloeterjahns Gattin anblickte und den Oberkoerper auf eine gewisse zarte und schwebende Art nach vorne beugte ... Die junge Frau antwortete: "Ei, warum nicht gar? Erstens ist dieses Zimmer doch als Freihafen gedacht, Herr Spinell, und dann: worin sollten Sie uns stoeren. Ich habe das entschiedene Gefuehl, die Raetin zu langweilen ..." Hierauf wusste er nichts mehr zu erwidern, sondern liess nur laechelnd seine karioesen Zaehne sehen und ging unter den Augen der Damen mit ziemlich unfreien Schritten bis zur Glastuer, woselbst er stehen blieb und hinausschaute, indem er in etwas unerzogener Weise den Damen den Ruecken zuwandte. Dann machte er eine halbe Wendung rueckwaerts, fuhr aber fort, in den Garten hinauszublicken, indes er sagte: "Die Sonne ist fort. Unvermerkt hat der Himmel sich bezogen. Es faengt schon an, dunkel zu werden." "Wahrhaftig, ja, alles liegt im Schatten", antwortete Herrn Kloeterjahns Gattin. "Unsere Ausfluegler werden doch noch Schnee bekommen, wie es scheint. Gestern war es um diese Zeit noch voller Tag; nun daemmert es schon." "Ach", sagte er, "nach allen diesen ueberhellen Wochen tut das Dunkel den Augen wohl. Ich bin dieser Sonne, die Schoenes und Gemeines mit gleich aufdringlicher Deutlichkeit bestrahlt, geradezu dankbar, dass sie sich endlich ein wenig verhuellt." "Lieben Sie die Sonne nicht, Herr Spinell?" "Da ich kein Maler bin ... Man wird innerlicher ohne Sonne. -- Es ist eine dicke, weissgraue Wolkenschicht. Vielleicht bedeutet es Tauwetter fuer morgen. Uebrigens wuerde ich Ihnen nicht raten, dort hinten noch auf die Handarbeit zu blicken, gnaedige Frau." "Ach, seien Sie unbesorgt, das tue ich ohnehin nicht. Aber was soll man beginnen?" Er hatte sich auf den Drehsessel vorm Piano niedergelassen, indem er einen Arm auf den Deckel des Instrumentes stuetzte. "Musik ..." sagte er. "Wer jetzt ein bisschen Musik zu hoeren bekaeme! Manchmal singen die englischen Kinder kleine nigger-songs, das ist alles." "Und gestern nachmittag hat Fraeulein von Osterloh in aller Eile die 'Klosterglocken' gespielt", bemerkte Herrn Kloeterjahns Gattin. "Aber Sie spielen ja, gnaedige Frau", sagte er bittend und stand auf ... " Sie haben ehemals taeglich mit Ihrem Herrn Vater musiziert." "Ja, Herr Spinell, das war damals! Zur Zeit des Springbrunnens, wissen Sie ..." "Tun Sie es heute!" bat er. "Lassen Sie dies eine Mal ein paar Takte hoeren! Wenn Sie wuessten, wie ich duerste ..." "Unser Hausarzt sowohl wie Doktor Leander haben es mir ausdruecklich verboten, Herr Spinell." "Sie sind nicht da, weder der eine noch der andere! Wir sind frei ... Sie sind frei, gnaedige Frau! Ein paar armselige Akkorde ..." "Nein, Herr Spinell, daraus wird nichts. Wer weiss, was fuer Wunderdinge Sie von mir erwarten! Und ich habe alles verlernt, glauben Sie mir. Auswendig kann ich beinahe nichts." "Oh, dann spielen Sie dieses Beinahe-nichts! Und zum Ueberfluss sind hier Noten, hier liegen sie, oben auf dem Klavier. Nein, dies hier ist nichts. Aber hier ist Chopin ..." "Chopin?" "Ja, die Nocturnes. Und nun fehlt nur, dass ich die Kerzen anzuende ..." "Glauben Sie nicht, dass ich spiele, Herr Spinell! Ich darf nicht. Wenn es mir nun schadet?!" -- Er verstummte. Er stand, mit seinen grossen Fuessen, seinem langen, schwarzen Rock und seinem grauhaarigen, verwischten, bartlosen Kopf, im Lichte der beiden Klavierkerzen und liess die Haende hinunterhaengen. "Nun bitte ich nicht mehr", sagte er endlich leise. "Wenn Sie fuerchten, sich zu schaden, gnaedige Frau, so lassen Sie die Schoenheit tot und stumm, die unter ihren Fingern laut werden moechte. Sie waren nicht immer so sehr verstaendig; wenigstens nicht, als es im Gegenteile galt, sich der Schoenheit zu begeben. Sie waren nicht besorgt um Ihren Koerper und zeigten einen unbedenklicheren und festeren Willen, als Sie den Springbrunnen verliessen und die kleine goldene Krone ablegten ... Hoeren Sie", sagte er nach einer Pause, und seine Stimme senkte sich noch mehr, "wenn Sie jetzt hier niedersitzen und spielen wie einst, als noch Ihr Vater neben Ihnen stand und seine Geige jene Toene singen liess, die Sie weinen machten ... dann kann es geschehen, dass man sie wieder heimlich in Ihrem Haare blinken sieht, die kleine, goldene Krone ..." "Wirklich?" fragte sie und laechelte ... Zufaellig versagte ihr die Stimme bei diesem Wort, so dass es zur Haelfte heiser und zur Haelfte tonlos herauskam. Sie huestelte und sagte dann: "Sind es wirklich die Nocturnes von Chopin, die Sie da haben?" "Gewiss. Sie sind aufgeschlagen, und alles ist bereit." "Nun, so will ich denn in Gottes Namen eins davon spielen", sagte sie. "Aber nur eines, hoeren Sie? Dann werden Sie ohnehin fuer immer genug haben." Damit erhob sie sich, legte ihre Handarbeit beiseite und ging zum Klavier. Sie nahm auf dem Drehsessel Platz, auf dem ein paar gebundene Notenbuecher lagen, richtete die Leuchter und blaetterte in den Noten. Herr Spinell hatte einen Stuhl an ihre Seite gerueckt und sass neben ihr wie ein Musiklehrer. Sie spielte das Nocturne in Es-Dur, opus 9, Nummer 2. Wenn sie wirklich einiges verlernt hatte, so musste ihr Vortrag ehedem vollkommen kuenstlerisch gewesen sein. Das Piano war nur mittelmaessig, aber schon nach den ersten Griffen wusste sie es mit sicherem Geschmack zu behandeln. Sie zeigte einen nervoesen Sinn fuer differenzierte Klangfarbe und eine Freude an rhythmischer Beweglichkeit, die bis zum Phantastischen ging. Ihr Anschlag war sowohl fest als weich. Unter ihren Haenden sang die Melodie ihre letzte Suessigkeit aus, und mit einer zoegernden Grazie schmiegten sich die Verzierungen um ihre Glieder. Sie trug das Kleid vom Tage ihrer Ankunft: die dunkle, gewichtige Taille mit den plastischen Sammetarabesken, die Haupt und Haende so unirdisch zart erscheinen liess. Ihr Gesichtsausdruck veraenderte sich nicht beim Spiele, aber es schien, als ob die Umrisse ihrer Lippen noch klarer wuerden, die Schatten in den Winkeln ihrer Augen sich vertieften. Als sie geendigt hatte, legte sie die Haende in den Schoss und fuhr fort, auf die Noten zu blicken. Herr Spinell blieb ohne Laut und Bewegung sitzen. Sie spielte noch ein Nocturne, spielte ein zweites und drittes. Dann erhob sie sich; aber nur, um auf dem oberen Klavierdeckel nach neuen Noten zu suchen. Herr Spinell hatte den Einfall, die Baende in schwarzen Pappdeckeln zu untersuchen, die auf dem Drehsessel lagen. Ploetzlich stiess er einen unverstaendlichen Laut aus, und seine grossen, weissen Haende fingerten leidenschaftlich an einem dieser vernachlaessigten Buecher. "Nicht moeglich! ... Es ist nicht wahr! ... " sagte er ... "Und dennoch taeusche ich mich nicht! ... Wissen Sie, was es ist? ... Was hier lag? ... Was ich hier halte? ... " "Was ist es?" fragte sie. Da wies er ihr stumm das Titelblatt. Er war ganz bleich, liess das Buch sinken und sah sie mit zitternden Lippen an. "Wahrhaftig? Wie kommt das hierher? Also geben Sie", sagte sie einfach, stellte die Noten aufs Pult, setzte sich und begann nach einem Augenblick der Stille mit der ersten Seite. Er sass neben ihr, vornuebergebeugt, die Haende zwischen den Knieen gefaltet, mit gesenktem Kopfe. Sie spielte den Anfang mit einer ausschweifenden und quaelenden Langsamkeit, mit beunruhigend gedehnten Pausen zwischen den einzelnen Figuren. Das Sehnsuchtsmotiv, eine einsame und irrende Stimme in der Nacht, liess leise seine bange Frage vernehmen. Eine Stille und ein Warten. Und siehe, es antwortet: derselbe zage und einsame Klang, nur heller, nur zarter. Ein neues Schweigen. Da setzte mit jenem gedaempften und wundervollen Sforzato, das ist wie ein Sich-Aufraffen und seliges Aufbegehren der Leiden schaft, das Liebesmotiv ein, stieg aufwaerts, rang sich entzueckt empor bis zur suessen Verschlingung, sank, sich loesend, zurueck, und mit ihrem tiefen Gesaenge von schwerer, schmerzlicher Wonne traten die Celli hervor und fuehrten die Weise fort ... Nicht ohne Erfolg versuchte die Spielende, auf dem armseligen Instrument die Wirkungen des Orchesters anzudeuten. Die Violinlaeufe der grossen Steigerung erklangen mit leuchtender Praezision. Sie spielte mit prezioeser Andacht, verharrte glaeubig bei jedem Gebilde und hob demuetig und demonstrativ das Einzelne hervor, wie der Priester das Allerheiligste ueber sein Haupt erhebt. Was geschah? Zwei Kraefte, zwei entrueckte Wesen strebten in Leiden und Seligkeit nacheinander und umarmten sich in dem verzueckten und wahnsinnigen Begehren nach dem Ewigen und Absoluten ... Das Vorspiel flammte auf und neigte sich. Sie endigte da, wo der Vorhang sich teilt, und fuhr dann fort, schweigend auf die Noten zu blicken. Unterdessen hatte bei der Raetin Spatz die Langeweile jenen Grad erreicht, wo sie des Menschen Antlitz entstellt, ihm die Augen aus dem Kopfe treibt und ihm einen leichenhaften und furchteinfloessenden Ausdruck verleiht. Ausserdem wirkte diese Art von Musik auf ihre Magennerven, sie versetzte diesen dyspeptischen Organismus in Angstzustaende und machte, dass die Raetin einen Krampfanfall befuerchtete. "Ich bin genoetigt, auf mein Zimmer zu gehen", sagte sie schwach. "Leben Sie wohl, ich kehre zurueck ..." Damit ging sie. Die Daemmerung war weit vorgeschritten. Draussen sah man dicht und lautlos den Schnee auf die Terrasse herniedergehen. Die beiden Kerzen gaben ein wankendes und begrenztes Licht. "Den zweiten Aufzug", fluesterte er; und sie wandte die Seiten und begann mit dem zweiten Aufzug. Hoernerschall verlor sich in der Ferne. Wie? oder war es das Saeuseln des Laubes? Das sanfte Rieseln des Quells? Schon hatte die Nacht ihr Schweigen durch Hain und Haus gegossen, und kein flehendes Mahnen vermochte dem Walten der Sehnsucht mehr Einhalt zu tun. Das heilige Geheimnis vollendete sich. Die Leuchte erlosch, mit einer seltsamen, ploetzlich gedeckten Klangfarbe senkte das Todesmotiv sich herab, und in jagender Ungeduld liess die Sehnsucht ihren weissen Schleier dem Geliebten entgegenflattern, der ihr mit ausgebreiteten Armen durchs Dunkel nahte. O ueberschwenglicher und unersaettlicher Jubel der Vereinigung im ewigen Jenseits der Dinge! Des quaelenden Irrtums entledigt, den Fesseln des Raumes und der Zeit entronnen, verschmolzen das Du und das Ich, das Dein und Mein sich zu erhabener Wonne. Trennen konnte sie des Tages tueckisches Blendwerk, doch seine prahlende Luege vermochte die Nachtsichtigen nicht mehr zu taeuschen, seit die Kraft des Zaubertrankes ihnen den Blick geweiht. Wer liebend des Todes Nacht und ihr suesses Geheimnis erschaute, dem blieb im Wahn des Lichtes ein einzig Sehnen, die Sehnsucht hin zur heiligen Nacht, der ewigen,-wahren, der einsmachenden ... O sink hernieder, Nacht der Liebe, gib ihnen jenes Vergessen, das sie ersehnen, umschliesse sie ganz mit deiner Wonne und loese sie los von der Welt des Truges und der Trennung. Siehe, die letzte Leuchte verlosch! Denken und Duenken versank in heiliger Daemmerung, die sich welterloesend ueber des Wahnes Qualen breitet. Dann, wenn das Blendwerk erbleicht, wenn in Entzuecken sich mein Auge bricht: Das, wovon die Luege des Tages mich ausschloss, was sie zu unstillbarer Qual meiner Sehnsucht taeuschend entgegenstellte, -- _selbst_ dann, o Wunder der Erfuellung! selbst dann bin ich die Welt. -- Und es erfolgte zu Brangaenens dunklem Habet-Acht-Gesange jener Aufstieg der Violinen, welcher hoeher ist als alle Vernunft. "Ich verstehe nicht alles, Herr Spinell; sehr vieles ahne ich nur. Was bedeutet doch dieses -- 'Selbst -- dann bin ich die Welt'?" Er erklaerte es ihr, leise und kurz. "Ja, so ist es. -- Wie kommt es nur, dass Sie, der Sie es so gut verstehen, es nicht auch spielen koennen?" Seltsamerweise vermochte er dieser harmlosen Frage nicht standzuhalten. Er erroetete, rang die Haende und versank gleichsam mit seinem Stuhle. "Das trifft selten zusammen", sagte er endlich gequaelt. "Nein, spielen kann ich nicht. -- Aber fahren Sie fort." Und sie fuhren fort in den trunkenen Gesaengen des Mysterienspieles. Starb je die Liebe? Tristans Liebe? Die Liebe deiner und meiner Isolde? Oh, des Todes Streiche erreichen die Ewige nicht! Was stuerbe wohl ihm, als was uns stoert, was die Einigen taeuschend entzweit? Durch ein suesses Und verknuepfte sie beide die Liebe ... zerriss es der Tod, wie anders, als mit des einen eigenem Leben, waere dem anderen der Tod gegeben? Und ein geheimnisvoller Zwiegesang vereinigte sie in der namenlosen Hoffnung des Liebestodes, des endlos ungetrennten Umfangenseins im Wunderreiche der Nacht. Suesse Nacht! Ewige Liebesnacht! Alles umspannendes Land der Seligkeit! Wer dich ahnend erschaut, wie koennte er ohne Bangen je zum oeden Tage zurueckerwachen? Banne du das Bangen, holder Tod! Loese du nun die Sehnenden ganz von der Not des Erwachens! O fassungsloser Sturm der Rhythmen! O chromatisch empordraengendes Entzuecken der metaphysischen Erkenntnis! Wie sie fassen, wie sie lassen, diese Wonne fern den Trennungsqualen des Lichts? Sanftes Sehnen ohne Trug und Bangen, hehres, leidloses Verloeschen, ueberseliges Daemmern im Unermesslichen! Du Isolde, Tristan ich, nicht mehr Tristan, nicht mehr Isolde---- Ploetzlich geschah etwas Erschreckendes. Die Spielende brach ab und fuehrte ihre Hand ueber die Augen, um ins Dunkel zu spaehen, und Herr Spinell wandte sich rasch auf seinem Sitze herum. Die Tuer dort hinten, die zum Korridor fuehrte, hatte sich geoeffnet, und herein kam eine finstere Gestalt, gestuetzt auf den Arm einer zweiten. Es war ein Gast von >Einfried<, der gleichfalls nicht in der Lage gewesen war, an der Schlittenpartie teilzunehmen, sondern diese Abendstunde zu einem seiner instinktiven und traurigen Rundgaenge durch die Anstalt benutzte, es war jene Kranke, die neunzehn Kinder zur Welt gebracht hatte und keines Gedankens mehr faehig war, es war die Pastorin Hoehlenrauch am Arme ihrer Pflegerin. Ohne aufzublicken, durchmass sie mit tappenden, wandernden Schritten den Hintergrund des Gemaches und entschwand durch die entgegengesetzte Tuer, -- stumm und stier, irrwandelnd und unbewusst. -- Es herrschte Stille. "Das war die Pastorin Hoehlenrauch", sagte er. "Ja, das war die arme Hoehlenrauch", sagte sie. Dann wandte sie die Blaetter und spielte den Schluss des Ganzen, spielte Isoldens Liebestod. Wie farblos und klar ihre Lippen waren, und wie die Schatten in den Winkeln ihrer Augen sich vertieften! Oberhalb der Braue, in ihrer durchsichtigen Stirn, trat angestrengt und beunruhigend das blassblaue Aederchen deutlicher und deutlicher hervor. Unter ihren arbeitenden Haenden vollzog sich die unerhoerte Steigerung, zerteilt von jenem beinahe ruchlosen, ploetzlichen Pianissimo, das wie ein Entgleiten des Bodens unter den Fuessen und wie ein Versinken in sublimer Begierde ist. Der Ueberschwang einer ungeheuren Loesung und Erfuellung brach herein, wiederholte sich, ein betaeubendes Brausen massloser Befriedigung, unersaettlich wieder und wieder, formte sich zurueckflutend um, schien verhauchen zu wollen, wob noch einmal das Sehnsuchtsmotiv in seine Harmonie, atmete aus, erstarb, verklang, entschwebte. Tiefe Stille. Sie horchten beide, legten die Koepfe auf die Seite und horchten. "Das sind Schellen", sagte sie. "Es sind die Schlitten", sagte er. "Ich gehe." Er stand auf und ging durch das Zimmer. An der Tuer dort hinten machte er halt, wandte sich um und trat einen Augenblick unruhig von einem Fuss auf den anderen. Und dann begab es sich, dass er, fuenfzehn oder zwanzig Schritte von ihr entfernt, auf seine Kniee sank, lautlos auf beide Kniee. Sein langer, schwarzer Gehrock breitete sich auf dem Boden aus. Er hielt die Haende ueber seinem Munde gefaltet, und seine Schultern zuckten. Sie sass, die Haende im Schoesse, vornuebergelehnt, vom Klavier abgewandt, und blickte auf ihn. Ein Ungewisses und bedraengtes Laecheln lag auf ihrem Gesicht, und ihre Augen spaehten sinnend und so muehsam ins Halbdunkel, dass sie eine kleine Neigung zum Verschiessen zeigten. Aus weiter Ferne her naeherten sich Schellenklappern, Peitschenknall und das Ineinanderklingen menschlicher Stimmen. 9 Die Schlittenpartie, von der lange noch alle sprachen, hatte am 26. Februar stattgefunden. Am 27., einem Tauwettertage, an dem alles sich erweichte, tropfte, plantschte, floss, ging es der Gattin Herrn Kloeterjahns vortrefflich. Am 28. gab sie ein wenig Blut von sich ... oh, unbedeutend; aber es war Blut. Zu gleicher Zeit wurde sie von einer Schwaeche befallen, so gross wie noch niemals, und legte sich nieder. Doktor Leander untersuchte sie, und sein Gesicht war steinkalt dabei. Dann verordnete er, was die Wissenschaft vorschreibt: Eisstueckchen, Morphium, unbedingte Ruhe. Uebrigens legte er am folgenden Tage wegen Ueberbuerdung die Behandlung nieder und uebertrug sie an Doktor Mueller, der sie pflicht- und kontraktgemaess in aller Sanftmut uebernahm: ein stiller, blasser, unbedeutender und wehmuetiger Mann, dessen bescheidene und ruhmlose Taetigkeit den beinahe Gesunden und den Hoffnungslosen gewidmet war. Die Ansicht, der er vor allem Ausdruck gab, war die, dass die Trennung zwischen dem Kloeterjahn'schen Ehepaare nun schon recht lange waehre. Es sei dringend wuenschenswert, dass Herr Kloeterjahn, wenn anders sein bluehendes Geschaeft es irgend gestatte, wieder einmal zu Besuch nach >Einfried< kaeme. Man koenne ihm schreiben, ihm vielleicht ein kleines Telegramm zukommen lassen ... Und sicherlich werde es die junge Mutter begluecken und staerken, wenn er den kleinen Anton mitbraechte: abgesehen davon, dass es fuer die Aerzte geradezu interessant sein werde, die Bekanntschaft dieses gesunden kleinen Anton zu machen. Und siehe, Herr Kloeterjahn erschien. Er hatte Doktor Muellers kleines Telegramm erhalten und kam vom Strande der Ostsee. Er stieg aus dem Wagen, liess sich Kaffee und Buttersemmeln geben und sah sehr verdutzt aus. "Herr", sagte er, "was ist? Warum ruft man mich zu ihr?" "Weil es wuenschenswert ist", antwortete Doktor Mueller, "dass Sie jetzt in der Naehe Ihrer Frau Gemahlin weilen." "Wuenschenswert ... Wuenschenswert ... Aber auch notwendig? Ich sehe auf mein Geld, mein Herr, die Zeiten sind schlecht und die Eisenbahnen sind teuer. War diese Tagesreise nicht zu umgehen? Ich wollte nichts sagen, wenn es beispielsweise die Lunge waere; aber da es Gott sei Dank die Luftroehre ist ..." "Herr Kloeterjahn", sagte Doktor Mueller sanft, "erstens ist die Luftroehre ein wichtiges Organ ..." Er sagte unkorrekterweise "erstens", obgleich er gar kein "zweitens" darauf folgen liess. Gleichzeitig aber mit Herrn Kloeterjahn war eine ueppige, ganz in Rot, Schottisch und Gold gehuellte Person in 'Einfried' eingetroffen, und sie war es, die auf ihrem Arme Anton Kloeterjahn den Juengeren, den kleinen gesunden Anton trug. Ja, er war da, und niemand konnte leugnen, dass er in der Tat von einer exzessiven Gesundheit war. Rosig und weiss, sauber und frisch gekleidet, dick und duftig lastete er auf dem nackten, roten Arm seiner betressten Dienerin, verschlang gewaltige Mengen von Milch und gehacktem Fleisch, schrie und ueberliess sich in jeder Beziehung seinen Instinkten. Vom Fenster seines Zimmers aus hatte der Schriftsteller Spinell die Ankunft des jungen Kloeterjahn beobachtet. Mit einem seltsamen, verschleierten und dennoch scharfen Blick hatte er ihn ins Auge gefasst, waehrend er vom Wagen ins Haus getragen wurde, und war dann noch laengere Zeit mit demselben Gesichtsausdruck an seinem Platze verharrt. Von da an mied er das Zusammentreffen mit Anton Kloeterjahn dem Juengeren so weit als tunlich. 10 Herr Spinell sass in seinem Zimmer und >arbeitete<. Es war ein Zimmer wie alle in >Einfried<: altmodisch, einfach und distinguiert. Die massige Kommode war mit metallenen Loewenkoepfen beschlagen, der hohe Wandspiegel war keine glatte Flaeche, sondern aus vielen kleinen quadratischen, in Blei gefassten Scherben zusammengesetzt, kein Teppich bedeckte den blaeulich lackierten Estrich, in dem die steifen Beine der Meubles als klare Schatten sich fortsetzten. Ein geraeumiger Schreibtisch stand in der Naehe des Fensters, vor welches der Romancier einen gelben Vorhang gezogen hatte, wahrscheinlich, um sich innerlicher zu machen. In gelblicher Daemmerung sass er ueber die Platte des Sekretaers gebeugt und schrieb, -- schrieb an einem jener zahlreichen Briefe, die er all-woechentlich zur Post befoerdern liess, und auf die er belustigenderweise meistens gar keine Antwort erhielt. Ein grosser, starker Bogen lag vor ihm, in dessen linkem oberen Winkel unter einer verzwickt gezeichneten Landschaft der Name Detlev Spinell in voellig neuartigen Lettern zu lesen war, und den er mit einer kleinen, sorgfaeltig gemalten und ueberaus reinlichen Handschrift bedeckte. "Mein Herr!" stand dort. "Ich richte die folgenden Zeilen an Sie, weil ich nicht anders kann, weil das, was ich Ihnen zu sagen habe, mich erfuellt, mich quaelt und zittern macht, weil mir die Worte mit einer solchen Heftigkeit zustroemen, dass ich an ihnen ersticken wuerde, duerfte ich mich ihrer nicht in diesem Briefe entlasten ..." Der Wahrheit die Ehre zu geben, so war dies mit dem "Zustroemen" ganz einfach nicht der Fall, und Gott wusste, aus was fuer eitlen Gruenden Herr Spinell es behauptete. Die Worte schienen ihm durchaus nicht zuzustroemen, fuer einen, dessen buergerlicher Beruf das Schreiben ist, kam er jaemmerlich langsam von der Stelle, und wer ihn sah, musste zu der Anschauung gelangen, dass ein Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben schwerer faellt als allen anderen Leuten. Mit zwei Fingerspitzen hielt er eins der sonderbaren Flaumhaerchen an seiner Wange erfasst und drehte Viertelstunden lang daran, indem er ins Leere starrte und nicht um eine Zeile vorwaertsrueckte, schrieb dann ein paar zierliche Woerter und stockte aufs neue. Andererseits muss man zugeben, dass das, was schliesslich zustande kam, den Eindruck der Glaette und Lebhaftigkeit erweckte, wenn es auch inhaltlich einen wunderlichen, fragwuerdigen und oft sogar unverstaendlichen Charakter trug. "Es ist", so setzte der Brief sich fort, "das unabweisliche Beduerfnis, das, was ich sehe, was seit Wochen als eine unausloeschliche Vision vor meinen Augen steht, auch Sie sehen zu machen, es Sie mit meinen Augen, in derjenigen sprachlichen Beleuchtung schauen zu lassen, in der es vor meinem inneren Blicke steht. Ich bin gewohnt, diesem Drange zu weichen, der mich zwingt, in unvergesslich und flammend richtig an ihrem Platze stehenden Worten meine Erlebnisse zu denen der Welt zu machen. Und darum hoeren Sie mich an. Ich will nichts als sagen, was war und ist, ich erzaehle lediglich eine Geschichte, eine ganz kurze, unsaeglich empoerende Geschichte, erzaehle sie ohne Kommentar, ohne Anklage und Urteil, nur mit meinen Worten. Es ist die Geschichte Gabriele Eckhofs, mein Herr, der Frau, die Sie die Ihrige nennen ... und merken Sie wohl! Sie waren es, der sie erlebte; und dennoch bin ich es, dessen Worte sie Ihnen erst in Wahrheit zur Bedeutung eines Erlebnisses erheben wird. Erinnern Sie sich des Gartens, mein Herr, des alten, verwucherten Gartens hinter dem grauen Patrizierhause? Das gruene Moos spross in den Fugen der verwitterten Mauern, die seine vertraeumte Wildnis umschlossen. Erinnern Sie sich auch des Springbrunnens in seiner Mitte? Lilafarbene Lilien neigten sich ueber sein morsches Rund, und sein weisser Strahl plauderte geheimnisvoll auf das zerklueftete Gestein hinab. Der Sommertag neigte sich. Sieben Jungfrauen sassen im Kreis um den Brunnen; in das Haar der Siebenten aber, der Ersten, der Einen, schien die sinkende Sonne heimlich ein schimmerndes Abzeichen der Ober hoheit zu weben. Ihre Augen waren wie aengstliche Traeume, und dennoch laechelten ihre klaren Lippen .... Sie sangen. Sie hielten ihre schmalen Gesichter zur Hoehe des Springstrahles emporgewandt, dorthin, wo er in mueder und edler Rundung sich zum Falle neigte, und ihre leisen, hellen Stimmen umschwebten seinen schlanken Tanz. Vielleicht hielten sie ihre zarten Haende um ihre Kniee gefaltet, indes sie sangen .... Entsinnen Sie sich des Bildes, mein Herr? Sahen Sie es? Sie sahen es nicht. Ihre Augen waren nicht geschaffen dafuer, und Ihre Ohren nicht, die keusche Suessigkeit seiner Melodie zu vernehmen. Sahen Sie es -- Sie durften nicht wagen, zu atmen, Sie mussten Ihrem Herzen zu schlagen verwehren. Sie mussten gehen, zurueck ins Leben, in Ihr Leben, und fuer den Rest Ihres Erdendaseins das Geschaute als ein unantastbares und unverletzliches Heiligtum in Ihrer Seele bewahren. Was aber taten Sie? Dies Bild war ein Ende, mein Herr; mussten Sie kommen und es zerstoeren, um ihm eine Fortsetzung der Gemeinheit und des haesslichen Leidens zu geben? Es war eine ruehrende und friedevolle Apotheose, getaucht in die abendliche Verklaerung des Verfalles, der Aufloesung und des Verloeschens. Ein altes Geschlecht, zu muede bereits und zu edel zur Tat und zum Leben, steht am Ende seiner Tage, und seine letzten Aeusserungen sind Laute der Kunst, ein paar Geigentoene, voll von der wissenden Wehmut der Sterbensreife .... Sahen Sie die Augen, denen diese Toene Traenen entlockten? Vielleicht, dass die Seelen der sechs Gespielinnen dem Leben gehoerten; diejenige aber ihrer schwesterlichen Herrin gehoerte der Schoenheit und dem Tode. Sie sahen sie, diese Todesschoenheit: sahen sie an, um ihrer zu begehren. Nichts von Ehrfurcht, nichts von Scheu beruehrte Ihr Herz gegenueber ihrer ruehrenden Heiligkeit. Es genuegte Ihnen nicht, zu schauen; Sie mussten besitzen, ausnuetzen, entweihen... Wie fein Sie Ihre Wahl trafen! Sie sind ein Gourmand, mein Herr, ein plebejischer Gourmand, ein Bauer mit Geschmack. Ich bitte Sie, zu bemerken, dass ich keineswegs den Wunsch hege, Sie zu kraenken. Was ich sage, ist kein Schimpf, sondern die Formel, die einfache psychologische Formel fuer Ihre einfache, literarisch gaenzlich uninteressante Persoenlichkeit, und ich spreche sie aus, nur weil es mich treibt, Ihnen Ihr eigenes Tun und Wesen ein wenig zu erhellen, weil es auf Erden mein unausweichlicher Beruf ist, die Dinge bei Namen zu nennen, sie reden zu machen, und das Unbewusste zu durchleuchten. Die Welt ist voll von dem, was ich den 'unbewussten Typus' nenne: und ich ertrage sie nicht, alle diese unbewussten Typen! Ich ertrage es nicht, all dies dumpfe, unwissende und erkenntnislose Leben und Handeln, diese Welt von aufreizender Naivitaet um mich her! Es treibt mich mit qualvoller Unwiderstehlichkeit, alles Sein in der Runde -- so weit meine Kraefte reichen -- zu erlaeutern, auszusprechen und zum Bewusstsein zu bringen, -- unbekuemmert darum, ob dies eine foerdernde oder hemmende Wirkung nach sich zieht, ob es Trost und Linderung bringt oder Schmerz zufuegt. Sie sind, mein Herr, wie ich sagte, ein plebejischer Gourmand, ein Bauer mit Geschmack. Eigentlich von plumper Konstitution und auf einer aeusserst niedrigen Entwicklungsstufe befindlich, sind Sie durch Reichtum und sitzende Lebensweise zu einer ploetzlichen, unhistorischen und barbarischen Korruption des Nervensystems gelangt, die eine gewisse luesterne Verfeinerung des Genussbeduerfnisses nach sich zieht. Wohl moeglich, dass die Muskeln Ihres Schlundes in eine schmatzende Bewegung gerieten, wie angesichts einer koestlichen Suppe oder seltenen Platte, als Sie beschlossen, Gabriele Eckhof zu eigen zu nehmen ... In der Tat, Sie lenken ihren vertraeumten Willen in die Irre, Sie fuehren sie aus dem verwucherten Garten in das Leben und in die Haesslichkeit, Sie geben ihr Ihren ordinaeren Namen und machen sie zum Eheweibe, zur Hausfrau, machen sie zur Mutter. Sie erniedrigen die muede, scheue und in erhabener Unbrauchbarkeit bluehende Schoenheit des Todes in den Dienst des gemeinen Alltags und jenes bloeden, ungefuegen und veraechtlichen Goetzen, den man die Natur nennt, und nicht eine Ahnung von der tiefen Niedertracht dieses Beginnens regt sich in Ihrem baeuerischen Gewissen. Nochmals: Was geschieht? Sie, mit den Augen, die wie aengst liche Traeume sind, schenkt Ihnen ein Kind; sie gibt diesem Wesen, das eine Fortsetzung der niedrigen Existenz seines Erzeugers ist, alles mit, was sie an Blut und Lebensmoeglichkeit besitzt, und stirbt. Sie stirbt, mein Herr! Und wenn sie nicht in Gemeinheit dahinfaehrt, wenn sie dennoch zuletzt sich aus den Tiefen ihrer Erniedrigung erhob und stolz und selig unter dem toedlichen Kusse der Schoenheit vergeht, so ist das _meine_ Sorge gewesen. Die Ihrige war es wohl unterdessen, sich auf verschwiegenen Korridoren mit Stubenmaedchen die Zeit zu verkuerzen. Ihr Kind aber, Gabriele Eckhofs Sohn, gedeiht, lebt und triumphiert. Vielleicht wird er das Leben seines Vaters fortfuehren, ein handeltreibender, Steuern zahlender und gut speisender Buerger werden; vielleicht ein Soldat oder Beamter, eine unwissende und tuechtige Stuetze des Staates; in jedem Falle ein amusisches, normal funktionierendes Geschoepf, skrupellos und zuversichtlich, stark und dumm. Nehmen Sie das Gestaendnis, mein Herr, dass ich Sie hasse, Sie und Ihr Kind, wie ich das Leben selbst hasse, das gemeine, das laecherliche und dennoch triumphierende Leben, das Sie darstellen, den ewigen Gegensatz und Todfeind der Schoenheit. Ich darf nicht sagen, dass ich Sie verachte. Ich kann es nicht. Ich bin ehrlich. Sie sind der Staerkere. Ich habe Ihnen im Kampfe nur eines entgegenzustellen, das erhabene Gewaffen und Rachewerkzeug der Schwachen: Geist und Wort. Heute habe ich mich seiner bedient. Denn dieser Brief -- auch darin bin ich ehrlich, mein Herr -- ist nichts als ein Racheakt, und ist nur ein einziges Wort darin scharf, glaenzend und schoen genug, Sie betroffen zu machen, Sie eine fremde Macht spueren zu lassen, Ihren robusten Gleichmut einen Augenblick ins Wanken zu bringen, so will ich frohlocken. Detlev Spinell." Und dieses Schriftstueck couvertierte und frankierte Herr Spinell, versah es mit einer zierlichen Adresse und ueberlieferte es der Post. 11 Herr Kloeterjahn pochte an Herrn Spinells Stubentuer; er hielt einen grossen, reinlich beschriebenen Bogen in der Hand und sah aus wie ein Mann, der entschlossen ist, energisch vorzugehen. Die Post hatte ihre Pflicht getan, der Brief war seinen Weg gegangen, er hatte die wunderliche Reise von 'Einfried' nach 'Einfried' gemacht und war richtig in die Haende des Adressaten gelangt. Es war vier Uhr am Nachmittage. Als Herr Kloeterjahn eintrat, sass Herr Spinell auf dem Sofa und las in seinem eigenen Roman mit der verwirrenden Umschlagzeichnung. Er stand auf und sah den Besucher ueberrascht und fragend an, obgleich er deutlich erroetete. "Guten Tag", sagte Herr Kloeterjahn. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie in Ihren Beschaeftigungen stoere. Aber darf ich fragen, ob Sie dies geschrieben haben?" Damit hielt er den grossen, reinlich beschriebenen Bogen mit der linken Hand empor und schlug mit dem Ruecken der Rechten darauf, so dass es heftig knisterte. Hierauf schob er die Rechte in die Tasche seines weiten, bequemen Beinkleides, legte den Kopf auf die Seite und oeffnete, wie manche Leute pflegen, den Mund zum Horchen. Sonderbarerweise laechelte Herr Spinell; er laechelte zuvorkommend, ein wenig verwirrt und halb entschuldigend, fuehrte die Hand zum Kopfe, als besaenne er sich, und sagte: "Ah, richtig ... ja ... ich erlaubte mir ..." Die Sache war die, dass er sich heute gegeben hatte, wie er war, und bis gegen Mittag geschlafen hatte. Infolge hiervon litt er an schlimmem Gewissen und bloedem Kopfe, fuehlte er sich nervoes und wenig widerstandsfaehig. Hinzu kam, dass die Fruehlingsluft, die eingetreten war, ihn matt und zur Verzweiflung geneigt machte. Dies alles muss erwaehnt werden als Erklaerung dafuer, dass er sich waehrend dieser Szene so aeusserst albern benahm. "So! Aha! Schoen!" sagte Herr Kloeterjahn, indem er das Kinn auf die Brust drueckte, die Brauen emporzog, die Arme reckte und eine Menge aehnlicher Anstalten traf, nach Erledigung dieser Formfrage ohne Erbarmen zur Sache zu kommen. Aus Freude an seiner Person ging er ein wenig zu weit in diesen Anstalten; was schliesslich erfolgte, entsprach nicht voellig der drohenden Umstaendlichkeit dieser mimischen Vorbereitungen. Aber Herr Spinell war ziemlich bleich. "Sehr schoen!" wiederholte Herr Kloeterjahn. "Dann lassen Sie sich die Antwort muendlich geben, mein Lieber, und zwar in Anbetracht des Umstandes, dass ich es fuer bloedsinnig halte, jemandem, den man stuendlich sprechen kann, seitenlange Briefe zu schreiben ..." "Nun ... bloedsinnig ..." sagte Herr Spinell laechelnd, entschuldigend und beinahe demuetig .... "Bloedsinnig!" wiederholte Herr Kloeterjahn und schuettelte heftig den Kopf, um zu zeigen, wie unangreifbar sicher er seiner Sache sei. "Und ich wuerde dies Geschreibsel nicht eines Wortes wuerdigen, es waere mir, offen gestanden, ganz einfach als Butterbrotpapier zu schlecht, wenn es mich nicht ueber gewisse Dinge aufklaerte, die ich bis dahin nicht begriff, gewisse Veraenderungen ... Uebrigens geht Sie das nichts an und gehoert nicht zur Sache. Ich bin ein taetiger Mann, ich habe Besseres zu bedenken als Ihre unaussprechlichen Visionen ..." "Ich habe 'unausloeschliche Vision' geschrieben", sagte Herr Spinell und richtete sich auf. Es war der einzige Moment dieses Auftrittes, in dem er ein wenig Wuerde an den Tag legte. "Unausloeschlich... unaussprechlich...!" entgegnete Herr Kloeterjahn und blickte ins Manuskript. "Sie schreiben eine Hand, die miserabel ist, mein Lieber; ich moechte Sie nicht in meinem Kontor beschaeftigen. Auf den ersten Blick scheint es ganz sauber, aber bei Licht besehen ist es voller Luecken und Zittrigkeiten. Aber das ist Ihre Sache und geht mich nichts an. Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Sie erstens ein Hanswurst sind -- , nun, das ist Ihnen hoffentlich bekannt. Ausserdem aber sind Sie ein grosser Feigling, und auch das brauche ich Ihnen wohl nicht ausfuehrlich zu beweisen. Meine Frau hat mir einmal geschrieben, Sie saehen den Weibspersonen, denen Sie begegnen, nicht ins Gesicht, sondern schielten nur so hin, um eine schoene Ahnung davonzutragen, aus Angst vor der Wirklichkeit. Leider hat sie spaeter aufgehoert, in ihren Briefen von Ihnen zu erzaehlen; sonst wuesste ich noch mehr Geschichten von Ihnen. Aber so sind Sie. 'Schoenheit' ist Ihr drittes Wort, aber im Grunde ist es nichts als Bangebuechsigkeit und Duckmaeuserei und Neid, und daher wohl auch Ihre unverschaemte Bemerkung von den 'verschwiegenen Korridoren', die mich wahrscheinlich so recht durchbohren sollte und mir doch bloss Spass gemacht hat. Spass hat sie mir gemacht! Aber wissen Sie nun Bescheid? Habe ich Ihnen Ihr ... Ihr 'Tun und Wesen' nun 'ein wenig erhellt', Sie Jammermensch? Obgleich es nicht mein 'unausbleiblicher Beruf' ist, hoe, hoe! ... " "Ich habe 'unausweichlicher Beruf' geschrieben", sagte Herr Spinell; aber er gab es gleich wieder auf. Er stand da, hilflos und abgekanzelt, wie ein grosser, klaeglicher, grauhaariger Schuljunge. "Unausweichlich ... unausbleiblich ... Ein niedertraechtiger Feigling sind Sie, sage ich Ihnen. Taeglich sehen Sie mich bei Tische. Sie gruessen mich und laecheln, Sie reichen mir Schuesseln und laecheln, Sie wuenschen mir gesegnete Mahlzeit und laecheln. Und eines Tages schicken Sie mir solch einen Wisch voll bloedsinniger Injurien auf den Hals. Hoe, ja, schriftlich haben Sie Mut! Und wenn es bloss dieser lachhafte Brief waere. Aber Sie haben gegen mich intrigiert, hinter meinem Ruecken gegen mich intrigiert, ich begreife es jetzt sehr wohl ... obgleich Sie sich nicht einzubilden brauchen, dass es Ihnen etwas genuetzt hat! Wenn Sie sich etwa der Hoffnung hingeben, meiner Frau Grillen in den Kopf gesetzt zu haben, so befinden Sie sich auf dem Holzwege, mein wertgeschaetzter Herr, dazu ist sie ein zu vernuenftiger Mensch! Oder wenn Sie am Ende gar glauben, dass sie mich irgendwie anders als sonst empfangen hat, mich und das Kind, als wir kamen, so setzten Sie Ihrer Abgeschmacktheit die Krone aufl Wenn sie dem Kleinen keinen Kuss gegeben hat, so geschah es aus Vorsicht, weil neuerdings die Hypothese aufgetaucht ist, dass es nicht die Luftroehre, sondern die Lunge ist, und man in diesem Falle nicht wissen kann ... obgleich es uebrigens noch sehr zu beweisen ist, das mit der Lunge, und Sie mit Ihrem -- 'sie stirbt, mein Herr!' Sie sind ein Esel!" Hier suchte Herr Kloeterjahn seine Atmung ein wenig zu regeln. Er war nun sehr in Zorn geraten, stach bestaendig mit dem rechten Zeigefinger in die Luft und richtete das Manuskript in seiner Linken aufs uebelste zu. Sein Gesicht, zwischen dem blonden englischen Backenbart, war furchtbar rot, und seine umwoelkte Stirn war von geschwollenen Adern zerrissen wie von Zornesblitzen. "Sie hassen mich", fuhr er fort, "und Sie wuerden mich verachten, wenn ich nicht der Staerkere waere ... Ja, das bin ich, zum Teufel, ich habe das Herz auf dem rechten Fleck, waehrend Sie das Ihre wohl meistens in den Hosen haben, und ich wuerde Sie in die Pfanne hauen mitsamt Ihrem 'Geist und Wort', Sie hinterlistiger Idiot, wenn das nicht verboten waere. Aber damit ist nicht gesagt, mein Lieber, dass ich mir Ihre Invektiven so ohne weiteres gefallen lasse, und wenn ich das mit dem 'ordinaeren Namen' zu Haus meinem Anwalt zeige, so wollen wir sehen, ob Sie nicht Ihr blaues Wunder erleben. Mein Name ist gut, mein Herr, und zwar durch mein Verdienst. Ob Ihnen jemand auf den Ihren auch nur einen Silbergroschen borgt, diese Frage moegen Sie mit sich selbst eroertern, Sie hergelaufener Bummler! Gegen Sie muss man gesetzlich vorgehen! Sie sind gemeingefaehrlich! Sie machen die Leute verrueckt! ... Obgleich Sie sich nicht einzubilden brauchen, dass es Ihnen diesmal gelungen ist, Sie heimtueckischer Patron! Von Individuen, wie Sie eins sind, lasse ich mich denn doch nicht aus dem Felde schlagen. Ich habe das Herz auf dem rechten Fleck ...." Herr Kloeterjahn war nun wirklich aeusserst erregt. Er schrie und sagte wiederholt, dass er das Herz auf dem rechten Fleck habe. "'Sie sangen.' Punkt. Sie sangen gar nicht! Sie strickten. Ausserdem sprachen sie, soviel ich verstanden habe, von einem Rezept fuer Kartoffelpuffer, und wenn ich das mit dem 'Verfall' und der 'Aufloesung' meinem Schwiegervater sage, so belangt er Sie gleichfalls von Rechts wegen, da koennen Sie sicher sein! ...'Sahen Sie das Bild, sahen Sie es?' Natuerlich sah ich es, aber ich begreife nicht, warum ich deshalb den Atem anhalten und davonlaufen sollte. Ich schiele den Weibern nicht am Gesicht vorbei, ich sehe sie mir an, und wenn sie mir gefallen, und wenn sie mich wollen, so nehme ich sie mir. Ich habe das Herz auf dem rechten Fl ..." Es pochte. -- Es pochte gleich neun -- oder zehnmal ganz rasch hintereinander an die Stubentuer, ein kleiner, heftiger, aengstlicher Wirbel, der Herrn Kloeterjahn verstummen machte, und eine Stimme, die gar keinen Halt hatte, sondern vor Bedraengnis fortwaehrend aus den Fugen ging, sagte in groesster Hast: "Herr Kloeterjahn, Herr Kloeterjahn, ach, ist Herr Kloeterjahn da?" "Draussen bleiben", sagte Herr Kloeterjahn unwirsch ... "Was ist? Ich habe hier zu reden." "Herr Kloeterjahn", sagte die schwankende und sich brechende Stimme, "Sie muessen kommen ... auch die Aerzte sind da ... oh, es ist so entsetzlich traurig ..." Da war er mit einem Schritt an der Tuer und riss sie auf. Die Raetin Spatz stand draussen. Sie hielt ihr Schnupftuch vor den Mund, und grosse, laengliche Traenen rollten paarweise in dieses Tuch hinein. "Herr Kloeterjahn", brachte sie hervor ..., "es ist so entsetzlich traurig ... Sie hat so viel Blut aufgebracht, so fuerchterlich viel ... Sie sass ganz ruhig im Bette und summte ein Stueckchen Musik vor sich hin, und da kam es, lieber Gott, so uebermaessig viel ..." "Ist sie tot?!" schrie Herr Kloeterjahn ... Dabei packte er die Raetin am Oberarm und zog sie auf der Schwelle hin und her. "Nein, nicht ganz, wie? Noch nicht ganz, sie kann mich noch sehen ... Hat sie wieder ein bisschen Blut aufgebracht? Aus der Lunge, wie? Ich gebe zu, dass es vielleicht aus der Lunge kommt ... Gabriele!" sagte er ploetzlich, indem die Augen ihm uebergingen, und man sah, wie ein warmes, gutes, menschliches und redliches Gefuehl aus ihm hervorbrach. "Ja, ich komme!" sagte er, und mit langen Schritten schleppte er die Raetin aus dem Zimmer hinaus und ueber den Korridor davon. Von einem entlegenen Teile des Wandelganges her vernahm man noch immer sein rasch sich entfernendes "Nicht ganz, wie? ... Aus der Lunge, was? ... " 12 Herr Spinell stand auf dem Fleck, wo er waehrend Herrn Kloeterjahns so jaeh unterbrochener Visite gestanden hatte, und blickte auf die offene Tuer. Endlich tat er ein paar Schritte vorwaerts und horchte ins Weite. Aber alles war still, und so schloss er die Tuer und kehrte ins Zimmer zurueck. Eine Weile betrachtete er sich im Spiegel. Hierauf ging er zum Schreibtisch, holte ein kleines Flacon und ein Glaeschen aus einem Fache hervor und nahm einen Cognac zu sich, was kein Mensch ihm verdenken konnte. Dann streckte er sich auf dem Sofa aus und schloss die Augen. Die obere Klappe des Fensters stand offen. Draussen im Garten von 'Einfried' zwitscherten die Voegel, und in diesen kleinen, zarten und kecken Lauten lag fein und durchdringend der ganze Fruehling ausgedrueckt. Einmal sagte Herr Spinell leise vor sich hin: "Unausbleiblicher Beruf..." Dann bewegte er den Kopf hin und her und zog die Luft durch die Zaehne ein, wie bei einem heftigen Nervenschmerz. Es war unmoeglich, zur Ruhe und Sammlung zu gelangen. Man ist nicht geschaffen fuer so plumpe Erlebnisse wie dieses da! -- Durch einen seelischen Vorgang, dessen Analyse zu weit fuehren wuerde, gelangte Herr Spinell zu dem Entschlusse, sich zu erheben und sich ein wenig Bewegung zu machen, sich ein wenig im Freien zu ergehen. So nahm er den Hut und verliess das Zimmer. Als er aus dem Hause trat und die milde, wuerzige Luft ihn umfing, wandte er das Haupt und liess seine Augen langsam an dem Gebaeude empor bis zu einem der Fenster gleiten, einem verhaengten Fenster, an dem sein Blick eine Weile ernst, fest und dunkel haftete. Dann legte er die Haende auf den Ruecken und schritt ueber die Kieswege dahin. Er schritt in tiefem Sinnen. Noch waren die Beete mit Matten bedeckt, und Baeume und Straeucher waren noch nackt; aber der Schnee war fort, und die Wege zeigten nur hier und da noch feuchte Spuren. Der weite Garten mit seinen Grotten, Laubengaengen und kleinen Pavillons lag in praechtig farbiger Nachmittagsbeleuchtung, mit kraeftigen Schatten und sattem, goldigem Licht, und das dunkle Geaest der Baeume stand scharf und zart gegliedert gegen den hellen Himmel. Es war um die Stunde, da die Sonne Gestalt annimmt, da die formlose Lichtmasse zur sichtbar sinkenden Scheibe wird, deren sattere, mildere Glut das Auge duldet. Herr Spinell sah die Sonne nicht; sein Weg fuehrte ihn so, dass sie ihm verdeckt und verborgen war. Er ging gesenkten Hauptes und summte ein Stueckchen Musik vor sich hin, ein kurzes Gebild, eine bang und klagend aufwaertssteigende Figur, das Sehnsuchtsmotiv ... Ploetzlich aber, mit einem Ruck, einem kurzen, krampfhaften Aufatmen, blieb er gefesselt stehen, und unter heftig zusammengezogenen Brauen starrten seine erweiterten Augen mit dem Ausdruck entsetzter Abwehr geradeaus... Der Weg wandte sich; er fuehrte der sinkenden Sonne entgegen. Durchzogen von zwei schmalen, erleuchteten Wolkenstreifen mit vergoldeten Raendern stand sie gross und schraege am Himmel, setzte die Wipfel der Baeume in Glut und goss ihren gelbroetlichen Glanz ueber den Garten hin. Und inmitten dieser goldigen Verklaerung, die gewaltige Gloriole der Sonnenscheibe zu Haeupten, stand hochaufgerichtet im Wege eine ueppige, ganz in Rot, Gold und Schottisch gekleidete Person, die ihre Rechte in die schwellende Huefte stemmte und mit der Linken ein grazil geformtes Waegelchen leicht vor sich hin und her bewegte. In diesem Waegelchen aber sass das Kind, sass Anton Kloeterjahn der Juengere, sass Gabriele Eckhofs dicker Sohn! Er sass, bekleidet mit einer weissen Flausjacke und einem grossen weissen Hut, pausbaeckig, praechtig und wohlgeraten in den Kissen, und sein Blick begegnete lustig und unbeirrbar demjenigen Herrn Spinells. Der Romancier war im Begriffe, sich aufzuraffen, er war ein Mann, er haette die Kraft besessen, an dieser unerwarteten, in Glanz getauchten Erscheinung vorueberzuschreiten und seinen Spaziergang fortzusetzen. Da aber geschah das Graessliche, dass Anton Kloeterjahn zu lachen und jubeln begann, er kreischte vor unerklaerlicher Lust, es konnte einem unheimlich zu Sinne werden. Gott weiss, was ihn anfocht, ob die schwarze Gestalt ihm gegenueber ihn in diese wilde Heiterkeit versetzte oder was fuer ein Anfall von animalischem Wohlbefinden ihn packte. Er hielt in der einen Hand einen knoechernen Beissring und in der anderen eine blecherne Klapperbuechse. Diese beiden Gegenstaende reckte er jauchzend in den Sonnenschein empor, schuettelte sie und schlug sie zusammen, als wollte er jemanden spottend verscheuchen. Seine Augen waren beinahe geschlossen vor Vergnuegen, und sein Mund war so klaffend aufgerissen, dass man seinen ganzen rosigen Gaumen sah. Er warf sogar seinen Kopf hin und her, indes er jauchzte. Da machte Herr Spinell kehrt und ging von dannen. Er ging, gefolgt von dem Jubilieren des kleinen Kloeterjahn, mit einer gewissen behutsamen und steif-grazioesen Armhaltung ueber den Kies, mit den gewaltsam zoegernden Schritten jemandes, der verbergen will, dass er innerlich davonlaeuft. End of the Project Gutenberg EBook of Tristan, by Thomas Mann *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TRISTAN *** ***** This file should be named 13810.txt or 13810.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.net/1/3/8/1/13810/ Produced by Martin Agren, Brett Koonce and the PG Online Distributed Proofreading Team. Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. 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